Flachschnitzerei im Kanton Zürich

Es gibt Kunstwerke, die ihren ganzen Zauber erst bei der Betrachtung aus der Nähe entfalten. Bei den detailreichen, rund 500 Jahre alten Flachschnitzereien im Kanton Zürich lässt sich das allerdings nicht so einfach bewerkstelligen – finden sie sich doch häufig an hohen Kirchendecken. Die soeben erschienenen Hefte 9 & 10 in der Reihe «Kleine Schriften zur Zürcher Denkmalpflege» schaffen hier Abhilfe. Die reich bebilderte, in einen Text- und einen Katalogteil gegliederte Publikation führt an die fabelhafte und fantastische Welt der spätgotischen Flachschnitzerei heran und dokumentiert den überlieferten Bestand im Kanton Zürich umfassend.

Die wenigsten mit Flachschnitzerei geschmückten Decken und Wände im Kanton Zürich sind vollständig an ihrem ursprünglichen Ort erhalten geblieben. In fünf zürcherischen Landkirchen allerdings – Dürnten, Maur, Mettmenstetten, Mönchaltdorf und Weisslingen – zieren auch heute noch originale, 500 Jahre alte Holzleistendecken mit flach geschnitzten Friesen die Innenräume. Diese Friese vermitteln einen faszinierenden Einblick in die fabelhafte und fantastische Formenwelt der Spätgotik.

Fabeltiere, Mischwesen und andere fantastische Geschöpfe

Im Gebiet des Kantons Zürich beschränkte sich die Anwendung der Flachschnitztechnik auf die kurze Zeitspanne zwischen 1470 und der Reformation. Die technisch einfache, aber zugleich sehr dekorative Schnitztechnik erlebte um 1500 im deutschsprachigen Raum ihre Blüte und endete mit der Reformation. Sie diente in der Spätgotik nicht nur zur Verzierung von Möbeln, sondern es wurden auch ganze Räume an Decken und Wänden mit geschnitzten Friesen ausgestattet. Diese Friese zeigten meist Ranken mit dazwischen eingewobenen zeittypischen Motiven, die sich durch ihre farbige Bemalung wirkungsvoll vom tiefer liegenden dunklen Grund abhoben. Die Figuren unterscheiden sich in Tiere, Menschen und fantastische Wesen – Fabeltiere oder Mischwesen, die aus Menschen- und Tierkörpern sowie Pflanzenteilen zusammengesetzt sind.

Ausdruck des gesteigerten Selbstbewusstseins der Zürcher Landbevölkerung

Die Verbreitung der Flachschnitzereien im Zeitraum 1470 bis zur Reformation steht im Kontext eines Baubooms. Er führte in der zürcherischen Landschaft zum Neu- oder Umbau von etwa der Hälfte aller Kirchen. Viele dieser Gotteshäuser initiierte die Landbevölkerung selbst. Sie erzielte durch Aufstände gegen die Stadt Zürich gewisse Erfolge und eine beschränkte Kommunalisierung. Beides führte zu mehr Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und zu einem gesteigerten Bedürfnis nach Repräsentation. So zeigen die Flachschnitzereien in den Zürcher Landkirchen häufig Wappen, Jagdszenen, Reisläufer und andere bewaffnete Männer. Sprüche beinhalten oft Jahrzahlen und die Namen der Schnitzer. Letztere belegen das neu entstandene Selbstbewusstsein der Tischmacher als eigene Handwerksgruppe.

Wertvoller Beitrag zur Kunstgeschichte der Spätgotik

In der hiesigen kunsthistorischen Forschung wurde die Flachschnitzerei bisher nur vereinzelt thematisiert. 100 Jahre sind seit dem grundlegenden Aufsatz «Über Flachschnitzereien in der Schweiz» von Professor Johann Rudolf Rahn (1841–1912), dem Begründer der Kunstforschung und Denkmalpflege in der Schweiz, vergangen. Nun erscheint mit der Publikation der Zürcher Kunsthistorikerin Rahel Strebel erstmals wieder ein breit gefächertes, umfassendes Bild über den gegenwärtigen, aber auch den abgegangenen, beziehungsweise andernorts eingepassten Bestand im Kanton Zürich. Der Text stellt die Beschreibung der Schnitzereien, die Untersuchung der dargestellten Motive sowie die Erhaltungsgeschichte der Flachschnitzereien und der sie enthaltenden Räume in den Mittelpunkt.

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Dürnten. Ref. Kirche. Schiffsdecke. Südlicher Rahmenfries, 1. Abschnitt. Drache und Ritter. Tischmacher Ulrich Schmid, 1521. 
Foto: Archiv der Kantonalen Denkmalpflege Zürich, 2009.

Dürnten. Ref. Kirche. Schiffsdecke. Nördlicher Rahmenfries, 2. Abschnitt. Traubenträger. Tischmacher Ulrich Schmid, 1521. 
Foto: Archiv der Kantonalen Denkmalpflege Zürich, 2009.

Mönchaltorf. Ref. Kirche. Schiffsdecke. Nördlicher Rahmenfries, 2. Abschnitt. Jäger mit Hund. Tischmacher Ulrich Schmid, 1522.
Foto: Archiv der Kantonalen Denkmalpflege Zürich, 2009.

Maur. Ref. Kirche. Schiffsdecke. Längsfries, 1. Abschnitt. Von anderen Vögeln bedrängtes Käuzchen. Tischmacher Hans Ininger, 1511. 
Foto: Rahel Strebel, 2002.

Maschwanden. Ref. Kirche. Alte Schiffsdecke. Friesfragmente. Tischmacher unbekannt, Datierung 1505 oder später.
Foto: Archiv der Kantonalen Denkmalpflege Zürich, 1979.

Zürich. Ehem. Kloster Oetenbach. Konventbau, heute im Schweizerischen Landesmuseum. Westwand. Fries. Hasen in Traubenranke. Tischmacher unbekannt, 1521.
Foto: Rahel Strebel, 2002.

Mettmenstetten. Ref. Kirche. Schiffsdecke. Östlicher Querfries. Deckenfeld (Ausschnitt). Eines der seltenen biblischen Motive der Flachschnitzerei: Maria mit Kind auf der Mondsichel. Tischmacher Jacob Winckler, 1521.
Foto: Archiv der Kantonalen Denkmalpflege Zürich, 2009.

Mehr zum Thema

Kleine Schriften zur Zürcher Denkmalpflege, Hefte 9 & 10:
Rahel Strebel, Flachschnitzerei im Kanton Zürich – Ausdruck einer Gesellschaft im Wandel, zwei Hefte im Schuber, 192 Seiten, reich illustriert, Preis CHF 45.-

Bestellungen unter www.fo-publishing.ch, Stichwort «Denkmalpflege»

(Medienmitteilung der Baudirektion)

Hinweis

Diese Meldung ist vor 2018 erschienen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung sind alle Bilder, Links und Downloads entfernt worden. Dies beim Wechsel zum neuen kantonalen Webauftritt 2020.
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