Magere Wiesen – reiches Leben
Medienmitteilung 15.07.2009
Wichtige Lebensräume für bedrohte Pflanzen und Tiere sind im Kanton Zürich die Magerwiesen. Die Fachstelle Naturschutz engagiert sich für den Rückgewinn solcher Flächen. Dabei wendet sie die ebenso einfache wie wirkungsvolle Direktbegrünung an, um wertvolle Wiesen zu «vermehren». Die Bedeutung der Magerwiesen und die Methode der Direktbegrünung erläuterte die Fachstelle an einer Medienfahrt ins Zürcher Unterland.
Eine möglichst grosse Vielfalt an Tieren und Pflanzen ist die Grundlage für das Fortbestehen unserer natürlichen Umwelt und damit auch für den Menschen enorm wichtig. Die so genannten Magerwiesen haben eine grosse Bedeutung für die Artenvielfalt, werden sie doch von besonders vielen Tieren und Pflanzen bewohnt. Magerwiesen wachsen dort, wo nie gedüngt wurde. Sie müssen, wie früher üblich, auch regelmässig gemäht werden, sonst verwalden sie rasch. Eine alte Magerwiese kann über hundert Arten pro Are (100 Quadratmeter) beherbergen. Viele davon sind heute selten und bedroht. Demgegenüber kommen in Fettwiesen höchstens zwanzig bis dreissig häufige Arten pro Are vor. Als Fettwiesen bezeichnet man die heute weit verbreiteten, für einen hohen Ertrag an Futtergras oder Heu gedüngten Wiesen.
Seltene Arten brauchen mehr Magerwiesen
Durch die immer intensivere Nutzung unserer Landschaft schrumpfte die Magerwiesen-Fläche in den letzten Jahrzehnten gewaltig. Breiteten sie sich im Kanton Zürich um 1900 noch auf rund 30'000 Hektaren aus, sind es heute noch rund 200 Hektaren, also knapp ein Prozent der ursprünglichen Fläche. Entsprechend sind von den ursprünglich schätzungsweise 360 Magerwiesenpflanzen im Kanton rund 50 ausgestorben. Die noch vorhandenen Magerwiesenflächen reichen für den langfristigen Erhalt dieser verbliebenen Arten nicht aus. Darum fordert das 1995 vom Regierungsrat festgesetzte Naturschutz-Gesamtkonzept langfristig mindestens wieder 4'000 Hektaren artenreiche Wiesen und die Ausdehnung der Magerwiesen auf 800 Hektaren bis in zehn Jahren. Im Rahmen der Umsetzung der Ökoqualitätsverordnung des Bundes (ÖQV) konnten in den vergangenen Jahren etliche Fettwiesen im Kanton extensiviert, das heisst neu ohne Düngung bewirtschaftet werden. Die Ausmagerung dauert auf diese Weise jedoch Jahrzehnte. Um qualitativ hochwertige Flächen neu zu schaffen, braucht es aber besondere Standorte, d.h. speziell angelegte warme, trockene und magere Flächen, und eine Begrünung, welche die vielen seltenen und bedrohten Arten der Magerwiese vermehrt.
Wirkungsvoll und kostengünstig: wertvolle Wiesen «vervielfältigen»
Dafür wendet die Fachstelle Naturschutz die Methode der «Direktbegrünung» an. Dabei wird eine bestehende, nahe gelegene Magerwiese gemäht, wenn die Samen reif sind. Das Schnittgut wird möglichst rasch auf der neuen Fläche verteilt. Dort fallen die Samen aus dem trocknenden Heu auf den Boden und keimen. Die Methode hat viele Vorteile: Es verbreiten sich mehr und andere Arten als in jeder auf dem Markt erhältlichen Samenmischung zu finden sind. Die Zusammensetzung der Arten ist zudem bei jeder Direktbegrünung wieder anders. Die Samen stammen von örtlich typischen, klimatisch angepassten Arten aus der unmittelbaren Umgebung. Das hilft mit, so genannte regionale Ökotypen, d.h. regional unterschiedliche Ausprägungen einer Art (siehe Kasten) zu verbreiten. Und schliesslich werden mit dem Gras von der alten Wiese auch zahlreiche Kleintiere wie Raupen, Heuschrecken, Käfer und Spinnen auf die neue Wiese «gezügelt».
Nutzen für Natur und Bevölkerung
Wie Urs Kuhn, Leiter der Fachstelle Naturschutz im Amt für Landschaft und Natur (ALN), heute an einer Medienfahrt ins Zürcher Unterland erklärte, sollen gemäss Naturschutz-Gesamtkonzept neue Magerwiesen vor allem nahe bei bestehende Schutzgebieten und Artvorkommen sowie in den kantonalen Schwerpunktgebieten angelegt werden. Das Zürcher Unterland ist eines dieser Schwerpunktgebiete. Es zeichnet sich aus durch ein warmes, trockenes Klima und sandig-kiesige Böden, was die Bildung magerer und artenreicher Magerwiesen fördert. Andreas Keel, Projektleiter der Fachstelle Naturschutz, zeigte, wie die bestehende, sehr artenreiche Magerwiese Gentner in Eglisau gemäht und das Schnittgut auf einen neu geschaffenen Magerstandort in einer Kiesgrube in Wasterkingen ausgebracht wurde. Die Arbeiten wurden vom Unterhaltsdienst der Fachstelle Naturschutz ausgeführt, der auf diese Begrünungsart spezialisiert ist. Seltene Pflanzen wie der Flügelginster, die Weisse Sommerwurz oder das Sonnenröschen, Schmetterlinge wie der Sonnenröschen-Bläuling oder Heuschrecken können so einen neuen Lebensraum besiedeln. Im Rafzerfeld ist die Neuschaffung von Magerwiesen möglich dank der Partnerschaft zwischen der Fachstelle Naturschutz, den Kiesfirmen und den örtlichen Landwirten.
Mit Hilfe der Direktbegrünung sind im ganzen Kanton bisher gegen 100 Hektaren neue, wertvolle Magerwiesen anlegt worden, meist mit Beteiligung der Spezialisten der Fachstelle Naturschutz. Damit konnten die Überlebenschancen vieler nur in diesem Lebensraum vorkommenden Pflanzen und Tiere wesentlich verbessert werden. Auch die Bevölkerung profitiert von attraktiven Naherholungsräumen.
Eine einzige Art kann viele regionale Ökotypen haben
Zu einem Ökotypus gehören nah verwandte und in der Regel benachbarte Populationen der gleichen Art. Sie haben sich unter ähnlichen Umwelt- und Konkurrenzbedingungen über Jahrhunderte bis Jahrtausende entwickelt. Sie sehen in der Regel ähnlich aus und haben sich an die spezifischen Bedingungen ihres Standorts angepasst. Eine einzige Art wie zum Beispiel die Wiesen-Margerite kommt in der Schweiz in vielen verschiedenen Ökotypen vor, von denen jeder ganz bestimmte Fähigkeiten und Ansprüche aufweist. Beispielsweise hat sich eine Wiesen-Margerite in den Alpen an andere Bedingungen angepasst als eine im Zürcher Unterland. Sie kann nicht ohne weiteres von einem Ort an den anderen verpflanzt werden. So trägt nicht nur die Vielzahl der Arten, sondern auch die Vielzahl der Ökotypen jeder einzelnen Art zur biologischen Vielfalt und damit zur Stabilität unserer Ökosysteme bei.
(Medienmitteilung der Baudirektion)
Hinweis
Diese Meldung ist vor 2018 erschienen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung sind alle Bilder, Links und Downloads entfernt worden. Dies beim Wechsel zum neuen kantonalen Webauftritt 2020.
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