«Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung»: Das Pionierprojekt in den Thurauen startet

Nachdem die Thur auf Zürcher Boden im oberen Teil schon saniert ist, wird nun auch der letzte Abschnitt bis zur Mündung in den Rhein besser gegen Hochwasser geschützt. Die Baudirektion nutzt die Sanierung, um die einmalige Flusslandschaft zu renaturieren und die Erholungsnutzung in die richtigen Bahnen zu lenken. Das Projekt im grössten Auenschutzgebiet des Schweizer Mittellands hat Pioniercharakter, was die Wiederbelebung einer Auenlandschaft und den Interessensausgleich zwischen Mensch und Natur anbelangt. Mit dem Spatenstich durch Regierungsrat Markus Kägi und Gemeindevertretern beginnt die erste Bauetappe.

Es begann nach dem grossen Hochwasser von 1978. Um das Zürcher Thurtal vor den häufigen Überschwemmungen zu schützen, sanierte der Kanton Zürich zwischen 1983 und 2005 die Zürcher Thur in fünf Abschnitten naturnah. Mit dem Projekt «Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung» folgt nun der sechste und letzte Abschnitt: die fünf Kilometer zwischen Kleinandelfingen und der Mündung in den Rhein.

Hier durchquert der Fluss die Thurauen, das grösste Auengebiet des Schweizer Mittellandes und ein Biotop von nationaler Bedeutung. Das schweizweit einzigartige Pionierprojekt bringt den Hochwasserschutz mit den Bedürfnissen der Natur und der Erholung suchenden Bevölkerung in Einklang. Siedlungsgebiete und Landwirtschaftsflächen erhalten einen besseren Schutz vor Überschwemmungen, die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen verbessern sich. Gleichzeitig erhält die Thur im Bereich des Auengebietes ihre Bewegungsfreiheit und natürliche Dynamik zurück – ohne damit Kulturland oder Infrastrukturen zu gefährden. Die Folge ist eine Wiederbelebung des Auengebiets mit seiner einmaligen Tier- und Pflanzenwelt, zu der beispielsweise der Biber, der Eisvogel und seltene Orchideen-Arten gehören. Mit dem Spatenstich vom 13. Juni beginnen die Bauarbeiten am 50-Millionen-Projekt.

Erste Bauetappe bis Frühjahr 2010

Die erste Bauetappe erstreckt sich bis ins Frühjahr 2010. Dabei wird die Hochwassersicherheit in Ellikon am Rhein und im Flaacherfeld verbessert. Die erste Etappe umfasst zudem die Renaturierung der Thur und ihrer Auen von der Elliker Brücke bis zur Mündung sowie bauliche Massnahmen für Erholung und Naturbeobachtung. Bereits im letzten Winter, also noch vor dem Austreiben der Vegetation, wurden zur Vorbereitung der ersten Bauetappe Rodungen vorgenommen. Sie schufen Platz für einen Hochwasserschutzdamm und die Renaturierung der Auenlandschaft.

Hochwasserschutz hat Vorrang

Führt die Thur Hochwasser, staut sich der Rhein und überschwemmt das Dorf Ellikon, das knapp oberhalb der Thurmündung liegt. Letztmals geschah dies 1999. Deswegen werden nun in Ellikon die Dämme ausserhalb des Dorfes erhöht und die Dammwege verbreitert. Auf den Dämmen kommen künftig bei Bedarf zusätzlich mobile Bocksysteme zum Einsatz, die die Feuerwehr bei extremem Hochwasser als zusätzlichen Schutz errichtet. Und innerhalb des Dorfes werden bei einem extremen Hochwasser Dammbalken eingesetzt, um die Fluten zurückzuhalten. Weiter entstehen im Dorf Pumpenschächte für die Ableitung von ansteigendem Grundwasser und zwei temporäre Pumpstationen für das Wegpumpen von Regen- und Schmelzwasser.

Besser geschützt wird auch das Flaacherfeld. Ein Teil dieser wertvollen und intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen südlich der Thurmündung liegen bei Hochwasser unterhalb des Pegels von Rhein und Thur. Sie sind deshalb bei Hochwasser stark gefährdet. Zu ihrem Schutz wird der Damm entlang von Rhein und Thur teilweise neu gebaut, teilweise verstärkt und erhöht. Aufschüttungen verhindern künftig das Durchnässen der Böden, wenn bei Hochwasser das Grundwasser steigt. Ein neues Pumpwerk entsteht im Forspitz. Es sammelt das restliche Grundwasser aus der Ebene und befördert es in den Rhein.

Mehr Platz für die Thur und gefährdete Arten

In der ersten Bauetappe werden im untersten Bereich der Thur, zwischen Mündung und Elliker Brücke, die Uferbefestigungen entfernt und eine Aufweitung ausgebaggert. Dies fördert die Wiederentstehung eines natürlichen, geschwungenen Flusslaufs (Mäander). In der Folge bilden sich an den Kurveninnenseiten Sand- und Kiesbänke, auf denen neue Weichholzauen heranwachsen. Die Kurvenaussenseiten bieten Brut- und Rückzugsmöglichkeiten für Vögel und weitere Lebewesen.

Im Auenwald selbst werden zusätzliche Auengewässer, Riedwiesen und Trockenstandorte geschaffen. Sie dienen den verschiedensten Lebewesen als Lebensraum. Altarme werden ausgebaggert. Jene mit direkter Verbindung zur Thur bilden Rückzugsorte für Fische während Hochwassern. Bei Farhau entsteht eine Magerwiese – ein Biotop für seltene Blumen, Falter, Heuschrecken und andere Tiere.

In der Schöni, südlich von Ellikon, werden Feuchtzonen geschaffen, die unterschiedlich lange unter Wasser bleiben, je nach Pegelstand und Jahreszeit. Dort gedeihen an feuchte Verhältnisse angepasste Pflanzengesellschaften. Ein grosser Tümpel dient als Laichgebiet für Laubfrosch, Kammmolch und Teichmolch.

Das Rheinufer nördlich und südlich von Ellikon und im Flaacherfeld wird renaturiert – es entstehen ideale Lebensräume für seltene Tiere und Pflanzen.

Das bereits 1998 gestartete Waldnaturschutzprojekt mit seinen forstwirtschaftlichen Massnahmen zur Aufwertung der Lebensräume im Gebiet des Auenwaldes wird weitergeführt. Es sorgt für ein optimales Gleichgewicht zwischen Schutz und Nutzung des Waldes – und für die Wiederansiedlung seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten.

Erholung unter Entflechtung von Mensch und Natur

Die Thurauen sind ein beliebtes Naherholungsgebiet und Ausflugsziel. Sie sollen weiterhin für Erholungssuchende zugänglich sein. Es wird ein sanfter Tourismus angestrebt. Die vorhandenen Parkplätze bleiben erhalten, neue Ein- und Auswasserungsmöglichkeiten für Boote entstehen, bei der Elliker Brücke wird ein neuer Erholungsplatz errichtet. Hier ist Platz für den Menschen, andernorts soll sich die Natur ungestört entfalten können.

Aufgewertet werden die Thurauen für alle, die diesen einmaligen Naturraum entdecken und besser kennen lernen möchten. Gebaut werden ein Beobachtungsturm und Naturbeobachtungsplätze. Geplant ist auch ein Infozentrum auf dem Gebiet des Campingplatzes Flaach.

Erster Spatenstich durch Regierungsrat Kägi

Sichtlich stolz führte Baudirektor Markus Kägi den ersten Spatenstich aus. In seiner Rede hob er eine Vielzahl von Leistungen hervor, die Dank verdienten. «Der ganz grosse Dank» führte der Baudirektor weiter aus, «wird aber später kommen, und zwar in einer vielfältigen Form. Er wird rauschen, plätschern, zwitschern, quaken, schnattern und surren. Er wird sich in Freude und Lebenslust äussern. Und im Gefühl, ein trockenes Heim und geschütztes Kulturland auf sicher zu haben.»

Als Geschenke brachte er ein Hochwasserschutzelement, einen Sonnenschirm sowie eine Eiche mit, die er zusammen mit der Gemeindepräsidentin von Marthalen, Barbara Nägeli, und dem Flaacher Gemeindepräsidenten Peter Brandenberger in Ellikon pflanzte. Die Geschenke stehen stellvertretend für das vom Kanton realisierte Projekt für mehr Hochwasserschutz, Erholung und Natur. Die Gemeindevertreter bedankten sich in ihren Grussbotschaften für das gelungene Projekt, von dem sie sich auch Impulse zur regionalen Entwicklung erhoffen. Erleichtert zeigten sie sich darüber, dass Ellikon und Flaach Hochwassersituationen an Rhein und Thur künftig gelassener entgegen blicken können.

Erfahrungen fliessen in weitere Etappen ein

Nach Abschluss wird die erste Bauetappe ausgewertet. Grundlage dazu liefern diverse Überwachungsprogramme, die nun ebenfalls anlaufen. Von diesen Erfahrungen profitieren die nachfolgenden Bauetappen. Dank dem etappierten Vorgehen erhält der Fluss überdies genügend Zeit, sich seinen neuen Lauf selbst zu bahnen.

Das Projekt «Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung»

«Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung» ist ein Projekt der Baudirektion des Kantons Zürich. Ausgeführt wird es durch das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft und das Amt für Landschaft und Natur. Das Projekt erstreckt sich über ein Gebiet von rund 380 Hektaren und umfasst die letzten fünf Kilometer der Thur vor der Mündung in den Rhein sowie das linke Rheinufer von Ellikon bis zur Rüdlinger Brücke. Das Thurmündungsgebiet «Eggrank-Thurspitz» ist im Bundesinventar der Auengebiete von nationaler Bedeutung eingetragen. Der Bund hat für die im Inventar verzeichneten Gebiete die Auenschutzverordnung erlassen, deren Forderungen der Kanton Zürich mit dem Projekt erfüllt.

Die Realisierung des Projekts erstreckt sich voraussichtlich bis ins Jahr 2020 – wobei die reine Bauzeit rund fünf Jahre beträgt. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 53,6 Millionen Franken. Den entsprechenden Rahmenkredit hat der Kantonsrat am 4. Dezember 2006 einstimmig bewilligt. Knapp 26 Millionen Franken gehen zu Lasten des Kantons Zürich. Fast 9 Millionen Franken übernimmt die Kraftwerk Eglisau-Glattfelden AG im Rahmen der neuen Konzession für das Kraftwerk. Die restlichen gut 18 Millionen Franken finanziert der Bund.

Detaillierte Informationen über das Projekt «Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung» finden Sie unter www.thurauen.zh.ch.

(Medienmitteilung der Baudirektion)

Hinweis

Diese Meldung ist vor 2018 erschienen. Gegenüber der ursprünglichen Fassung sind alle Bilder, Links und Downloads entfernt worden. Dies beim Wechsel zum neuen kantonalen Webauftritt 2020.
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