Archäologische Untersuchungen an der Steinberggasse in Winterthur: von Webern, Schlossern, Plattenverkäufern und einem Hafner

Während den letzten drei Monaten untersuchte die Kantonsarchäologie der Baudirektion in Zusammenarbeit mit der städtischen Denkmalpflege Winterthur die Liegenschaften an der Steinberggasse 3 und 5 in Winterthur. Die Resultate der Untersuchung geben Aufschluss über wichtige Fragen zur Geschichte dieser Häuser und deren Nutzung. Dank archäologischen Grabungen kamen drei Keller aus dem 13. und 14. Jahrhundert zum Vorschein, die teilweise als Webkeller benutzt wurden. Die heute noch zu einem wesentlichen Teil erhaltenen Gebäude entstanden im 18. Jahrhundert als charakteristische Handwerkerhäuser. Die vorgenommenen Untersuchungen dienen als Grundlage für die Berücksichtigung der historischen Bausubstanz beim künftigen Umbau der Häuser.

Aus archäologischer Sicht besonders interessant ist die Entdeckung dreier Erdkeller aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Spuren im Boden und verkohlte Textilfunde weisen darauf hin, dass es sich bei mindestens einem Keller um einen Webkeller mit zwei Webstühlen handelte. Aufgrund früherer Funde aus dem Jahre 1986 an der Obergasse und 1995 an der Oberen Kirchgasse verdichten sich die Indizien, dass dieser Teil der Altstadt von Winterthur früher ein Weberviertel war. Die Keller wurden nach Brandkatastrophen im Spätmittelalter zugeschüttet und später – wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert – durch gemauerte Keller ersetzt. Baureste von mittelalterlichen Steinbauten liegen an den untersuchten Häusern nicht vor. Diese standen im hinteren Teil der lang gezogenen Parzellen an der Stadtmauer. Partien solcher Steinmauern aus dem 13. Jahrhundert sind in der Häuserzeile an der Technikumstrasse noch erhalten.

Neubauten 1718 und 1764

Das heute in seinem Grundbestand erhaltene Haus an der Steinberggasse 5 wurde Anfang des 18. Jahrhunderts als vollständiger Neubau erstellt. Die Archäologinnen und Archäologen konnten mit Hilfe dendrochronologischer Untersuchungen an den vorhandenen Holzbalken aufzeigen, dass das Haus im Jahre 1718 erbaut wurde. Bauherr war vermutlich der Maurer Gebhard Hafner. Das Gebäude ist charakteristisch für ein Handwerkerhaus jener Zeit, das von zwei Familien bewohnt wurde: Im ersten und zweiten Obergeschoss befanden sich gassenseitig je eine Stube, in der Mitte eine Küche und dahinter Kammern. Als Besonderheit sticht eine Stuckaturdecke in der Stube des ersten Obergeschosses hervor. Im 3. Obergeschoss lagen die Schlafkammern. Der Zugang ins erste Obergeschoss erfolgte über eine Laube im Hinterhof, wo sich auch der Abort befand. Über eine interne Treppe gelangte man in die beiden oberen Stockwerke.

Das ebenfalls heute noch erhaltene Haus an der Steinberggasse 3 wurde im Jahr 1764 errichtet und entspricht in seiner Raumeinteilung dem Nachbarhaus. Bauherr war der Schuhmacher Abraham Graf.

Ein Brennofen einer Hafnerwerkstatt

Zum Schutz vor Feuersbrünsten hatte die Stadt Winterthur 1784 eine Verordnung gegen die Errichtung von Brennöfen innerhalb der Stadtmauern erlassen. Das Verbot wurde jedoch nicht immer eingehalten. So betrieb der Hafner Heinrich Weber von 1812 bis 1839 im Erdgeschoss seines Hauses an der Steinberggasse 3 eine Hafnerwerkstatt. Weber hatte das Handwerk im thurgauischen Roggwil gelernt und war – gemäss einem Originaldokument seines Lehrmeisters – so «starck in der Profession», dass ihm das dritte Lehrjahr geschenkt wurde. 1832 trat er als Obmann des Winterthurer Hafnerhandwerks in Erscheinung. Teile seines Brennofens konnten nun durch die Kantonsarchäologie untersucht werden. Nach dem Tod von Hafner Heinrich Weber erwarb 1839 der Schlosser Ulrich Furrer das Haus. Er brach den Brennofen ab und richtete eine Schlosserwerkstatt ein. Auch dieser Umbau ist in den archäologischen Spuren ablesbar.

Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert

Die Industrialisierung führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Zustrom auswärtiger Arbeiter und zu einer eigentlichen Wohnungsnot. Wie andernorts in der Stadt unterteilte man auch in den beiden Häusern an der Steinberggasse die geräumigen Kammern in kleine, teils fensterlose Zimmer. Ferner wurde das dritte Obergeschoss zu einer eigenständigen Wohnung ausgebaut. Mit dem Anfügen einer balkonartigen Laube im zweiten Obergeschoss versuchte man die kärglichen Wohnverhältnisse aufzuwerten.

Im 20. Jahrhundert wurden an den Häusern nur noch geringfügige Umbauten vorgenommen. Die zuvor als Werkstätten benützten Erdgeschossräume baute man zu Ladenlokalen um. Besonders der Plattenladen «pick up» dürfte zahlreichen Winterthurerinnen und Winterthurern in Erinnerung geblieben sein.

Grundlagen für die Erhaltung der historischen Bausubstanz

Die Untersuchungen der Kantonsarchäologie erfolgten in enger Zusammenarbeit mit der städtischen Denkmalpflege sowie in Absprache mit dem Eigentümer, dem Architekten und dem Baupolizeiamt der Stadt Winterthur. Dank frühzeitiger Planung entstanden keine Bauverzögerungen. Die baugeschichtlichen Untersuchungen der bestehenden Häuser bilden nun die Grundlage für die Beurteilung durch die städtische Denkmalpflege. Im von der Stadt Winterthur bewilligten Bauvorhaben, das mit der Denkmalpflege bearbeitet wurde, soll die historische Bausubstanz berücksichtigt werden.

(Medienmitteilung der Baudirektion)

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