Der Regierungsrat steht hinter der neuen Kantonsverfassung

Der Regierungsrat beurteilt die heute vom Verfassungsrat verabschiedete neue Kantonsverfassung als ein überzeugendes Grundgesetz, das die staatliche Identität und das Selbstverständnis des Kantons Zürich gut zum Ausdruck bringt. Sie wird der Orientierungs- und Informationsfunktion einer Verfassung gerecht und bildet für den Kanton ein gutes und geeignetes Fundament in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Die neue Verfassung überzeugt in Aufbau und Lesbarkeit und darf in diesem Sinn als modernes Verfassungswerk bezeichnet werden. Der Verfassungsrat hat es verstanden, moderate Neuerungen einzuführen, ohne die Verfassung mit politisch nicht ausgereiften Lösungen zu belasten. Besonders positiv beurteilt der Regierungsrat die Kapitel «Grundrechte» und «Gemeinden», die neuen Volksrechte, den Beibehalt des verwaltungsinternen Rechtsmittelverfahrens sowie die Bestimmungen über das Verhältnis von Kirche und Staat, die dem Abstimmungsergebnis vom November 2003 Rechnung tragen.

Am 13. Juni 1999 gaben die Stimmberechtigten des Kantons Zürich den Startschuss zur Totalrevision der Kantonsverfassung. Der 100-köpfige Verfassungsrat, der am 18. Juni 2000 gewählt wurde, hatte den Auftrag, innert fünf Jahren nach seiner Wahl einen Entwurf der neuen Kantonsverfassung vorzulegen. Der Regierungsrat hat die Schlussberatung im Verfassungsrat zum Anlass genommen, die neue Verfassung einer Gesamtwürdigung zu unterziehen.


Gute Lösung mit schlankem Grundrechtskatalog

Im Kapitel «Grundlagen» hat der Verfassungsrat offenkundige Lücken geschlossen. Die neue Verfassung hält im Verhältnis Staat – Individuum am Grundsatz grösstmöglicher individueller Freiheit und Selbstverantwortung fest. Besonders hervorzuheben ist die Verankerung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung.

Für die lange umstrittene Frage, wie die vom übergeordneten Recht gewährleisteten Grundrechte in der Kantonsverfassung darzustellen sind, hat der Verfassungsrat eine überzeugende Lösung gefunden. Mit dem begrüssenswerten Verzicht auf eine Wiederholung der von der Bundesverfassung gewährleisteten Grundrechte bietet sich in der Verfassung Raum für die kantonalen, über die Garantien der Bundesverfassung hinausgehenden Grundrechte, die auf diese Weise als «Zürcher Spezialitäten» betont werden.

Der Vernehmlassungsentwurf hatte eine wegweisende Neuordnung der Einbürgerungszuständigkeit vorgesehen. Danach hätte zwingend eine von den Stimmberechtigten gewählte Behörde über die Aufnahme ins Gemeindebürgerrecht entscheiden müssen. Der Verfassungsrat verzichtete auf diese Regelung, was als politischer Kompromiss akzeptiert werden kann. Neu schliesst die Verfassung einzig die Urnenabstimmung über Einbürgerungsgesuche aus; die Gemeindeordnung kann die Einbürgerungskompetenz auch der Gemeindeversammlung zuweisen. Die Problematik der Begründungspflicht von Einbürgerungsentscheiden einer Gemeindeversammlung ist damit allerdings nicht gelöst.


Neue Volksrechte begrüsst - mit Ausnahme des Gemeindereferendums

Leitgedanke der Revisionsarbeiten im Bereich der Volksrechte sollte nach Ansicht des Regierungsrates eine so genannte «Verwesentlichung» sein, das heisst eine Stärkung der Volksrechte unter gleichzeitiger Entlastung der Stimmberechtigten von unnötigen Urnengängen. Dieses Ziel wird mit der neuen Verfassung weitgehend erreicht. Als Neuerungen sind die Möglichkeit von Teil- und Variantenabstimmungen sowie die Einführung des Referendums mit Gegenvorschlag der Stimmberechtigten zu begrüssen. Ebenso begrüsst wird der Verzicht auf eine Verlängerung der Sammelfrist beim fakultativen Referendum. Demgegenüber wird mit dem Gemeindereferendum ein problematisches neues Instrument geschaffen. Die Referendumsdemokratie wird von der neuen Verfassung schon durch die Senkung der Unterschriftenzahl von 5000 auf 3000 gestärkt.


Bewährtes verwaltungsinternes Rechtsmittelverfahren wird beibehalten

Im Behördenkapitel ist die Regelung der Sitzverteilung im Kantonsrat überzeugend ausgefallen. Sie umfasst das nach dem Gesetz über die politischen Rechte geltende neue Zuteilungsverfahren für die Kantonsratswahlen, ohne Bezug auf die Wahlkreise zu nehmen. Der Regierungsrat begrüsst ausdrücklich die Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für seine eigene Finanzkompetenz sowie das den kantonalen Gerichten eingeräumte Recht auf Selbstverwaltung, womit die Unabhängigkeit der Gerichte gestärkt wird. Ganz besonders erfreut ist der Regierungsrat über den Entscheid des Verfassungsrates, auf die Einführung einer doppelten Gerichtsinstanz in Verwaltungssachen zu verzichten. Ein solcher Wechsel im System der Verwaltungsrechtspflege, in der heute der Grundsatz «eine Rekursinstanz – ein Gericht» gilt, wäre unzweckmässig, was der Regierungsrat in seinen Stellungnahmen mehrfach und ausführlich begründet hatte.


Demokratisierung der Zweckverbände

Im Kapitel über die Gemeinden ist die Einführung des obligatorischen Referendums für Ausgabenbeschlüsse und allfällig weitere Geschäfte in Versammlungsgemeinden positiv zu beurteilen. Heute nimmt nur noch ein kleiner Teil der Stimmberechtigten an den Gemeindeversammlungen teil, so dass die Vertretung der Stimmberechtigten nicht immer als repräsentativ betrachtet werden kann. Ebenso zu begrüssen ist die Bestimmung, wonach Beschlüsse der Gemeindeversammlung der nachträglichen Urnenabstimmung unterliegen, wenn dies von einem Drittel der bei der Beschlussfassung anwesenden Stimmberechtigten verlangt wird. Positiv zu erwähnen ist ferner die Neuordnung der interkommu­nalen Zusammenarbeit und insbesondere die Demokratisierung der Zweckverbände.

Während in der geltenden Verfassung die öffentlichen Aufgaben nur sehr lückenhaft und unsystematisch erwähnt sind, umfasst die neue Verfassung nun einen Katalog mit den wichtigsten Staatsaufgaben. Die Grundsätze, die den einzelnen Aufgabennormen vorangestellt sind, zielen in die richtige Richtung. Insbesondere der Wille zur effizienten Aufgabenerfüllung sowie der Gedanke des Controllings der Leistungserbringung werden gestärkt. Kanton und Gemeinden werden bei der Aufgabenerfüllung in Zukunft nicht nur diese Grundsätze, sondern auch die Bestimmungen des 1. Kapitels zu beachten haben. Hier ist besonders Artikel 6 hervorzuheben. Dieser verpflichtet den Kanton und die Gemeinden zu einer am Gedanken der Nachhaltigkeit orientierten Wirtschaft zum Wohl der ganzen Bevölkerung sowie kommender Generationen und verankert den Grundsatz des gesunden Finanzhaushalts.

Sehr zu begrüssen ist auch, dass die neue Verfassung auf eine Aufzählung der einzelnen Steuerarten verzichtet. Als neue Bestimmung im Kapitel Finanzordnung kam in der zweiten Lesung des Gesamtentwurfs Artikel 127 hinzu, der das Gesetzmässigkeitsprinzip für «weitere Abgaben» (neben den Steuern) verankert. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist aber der Umfang des Legalitätsprinzips je nach der Natur der Abgabe differenziert zu beurteilen. Es gibt deshalb keinen Grund, weshalb die Verfassung hier eine strikte Verschärfung einführen sollte. Ausserdem besteht die Gefahr, dass diese Bestimmung bei übertriebener Auslegung eine eigentliche Gesetzesflut nach sich ziehen würde.


Verhältnis zwischen Staat und Kirchen: Unbestrittene Punkte geregelt

Das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen ist seit 1996 Gegenstand umfangreicher Reformarbeiten. Die Stimmberechtigten haben am 30. November 2003 eine Verfassungsänderung, ein neues Kirchengesetz und ein Gesetz über die Anerkennung von Religionsgemeinschaften (Anerkennungsgesetz) abgelehnt. Mit den Schwerpunkten, welche die neue Verfassung im Kapitel «Kirchen und weitere Religionsgemeinschaften» setzt, werden diejenigen Bereiche geregelt, die sich im Laufe der vorangegangenen Revisionsarbeiten als reformbedürftig erwiesen haben und auch in der Abstimmung vom 30. November 2003 grundsätzlich nicht bestritten waren. Der Verfassungsrat hat davon abgesehen, eine allgemeine Möglichkeit zur staatlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften zu schaffen, und die Anerkennung der beiden jüdischen Gemeinden ist bereits auf Verfassungsstufe vorgesehen. Damit trägt er dem Abstimmungsergebnis vom 30. November 2003 Rechnung.

(Medienmitteilung des Regierungsrates)

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