Stellungnahme des Kantons Zürich an die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren betreffend «Basale Fachliche Studierkompetenzen»

Beschluss Bildungsrat
2015/44
Sitzungsdatum
28. September 2015

Ausgangslage

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat am 22. März 2012 das Projekt «Gymnasiale Maturität – Langfristige Sicherung des Hochschulzugangs» verabschiedet, Teilprojekte in Auftrag gegeben und die Schweizerische Mittelschulämterkonferenz (SMAK) mit der Begleitung des Projekts beauftragt. Ziel des Projekts ist die langfristige Sicherstellung des prüfungsfreien Hochschulzugangs. Es umfasst folgende fünf Teilprojekte (TP):

  • TP 1: Festlegung «basaler fachlicher Studierkompetenzen am Gymnasium»;
  • TP 2: Unterstützungsangebote zum Gemeinsamen Prüfen;
  • TP 3: Gymnasium – Universität;
  • TP 4: Studien- und Laufbahnberatung;
  • TP 5: Dauer der Ausbildung, die zur gymnasialen Maturität führt.

Zu den Teilprojekten 2, 3 und 4 hat das Generalsekretariat der EDK bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Anhörung durchgeführt. Der Bildungsrat hat am 9. März 2015 die Stellungnahme des Kantons Zürich beschlossen (BRB Nr. 13/2015). Das TP 5 wird in zweiter Priorität nach Vorliegen insbesondere der Ergebnisse von TP 1 in Angriff genommen.

Für das TP 1 wurde Prof. Dr. Franz Eberle, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich, mit vertieften Abklärungen beauftragt. Die Ergebnisse wurden im Schlussbericht «Basale fachliche Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit in Mathematik und Erstsprache» (verfasst von Franz Eberle, Christel Brüggenbrock, Christian Rüede, Christof Weber und Urs Albrecht) vom 15. Oktober 2014 (revidierte Fassung vom 12. Januar 2015) festgehalten.

Mit Beschluss des EDK-Vorstandes vom 7. Mai 2015 wurde der Schlussbericht «Basale fachliche Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit in Mathematik und Erstsprache» und der Bericht der SMAK zum TP 1 vom 18. März 2015 zur Anhörung freigegeben. Das Generalsekretariat der EDK lud mit Schreiben vom 20. Mai 2015 zur Anhörung ein.

Die SMAK empfiehlt in ihrem Bericht die Aufnahme der basalen fachlichen Studierkompetenz (BFSK) in Mathematik und einer Erstsprache in den Rahmenlehrplan der EDK für Maturitätsschulen vom 9. Juni 1994 und schlägt vor, insbesondere die Leistungsbeurteilung über Empfehlungen der EDK an die Kantone an die Schulen zu vermitteln.

Basale fachliche Studierkompetenzen

Die Maturität berechtigt in der Schweiz in allen Studienfächern (Ausnahme: Medizin) zum prüfungsfreien Eintritt in die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen und sämtliche Universitäten. Dies setzt bei den Maturanden und Maturandinnen fachliche und überfachliche Kompetenzen voraus. Bei den BFSK handelt es sich um jene Kompetenzen in Erstsprache und Mathematik, die in den meisten Studienrichtungen vorausgesetzt werden. Sie umfassen allerdings nur einen Teil der gymnasialen Ziele für den betreffenden Fachbereich. Entsprechend sind sie nicht gleichzusetzen mit den umfassenden Kompetenzen, die in Erstsprache und Mathematik an den Maturitätsprüfungen geprüft werden.

Das Anliegen des TP 1 besteht darin, die BFSK als notwendige Voraussetzung für das erfolgreiche Absolvieren der Maturität zu etablieren. Dabei wird ein förderorientierter Ansatz verfolgt, der nicht die Senkung der Maturitätsquote zum Ziel hat und ausdrücklich auf zentrale Selektionstests verzichtet. Ferner sollen die über die BFSK hinausgehenden Bestandteile der Maturität, zu denen auch Teile der Erstsprache und der Mathematik gehören, unverändert kompensierbar bleiben.

Vernehmlassung im Kanton Zürich

Es wurden 29 Organisationen aus den Bereichen Mittelschulen, Berufsbildung, Hochschulen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie der Verwaltung zur Vernehmlassung zum TP 1 eingeladen. Es haben 21 Organisationen Stellung genommen.

Mehrheitlich stimmen die stellungnehmenden Institutionen dem Anliegen des TP 1 zu und befürworten dessen Festlegung im Rahmenlehrplan. Die mittelschulnahen Institutionen äusserten sich mehrheitlich kritisch. Sämtliche Stellungnehmenden brachten auch Vorbehalte bei der vorgeschlagenen Umsetzung an. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Mittelschulen

Die Schulleiterkonferenz, die Lehrpersonenkonferenz Mittelschulen und der Mittelschullehrerverband weisen darauf hin, dass die Vorschläge nicht zielführend sind, da die Studierfähigkeit ausser von den BSFK von vielen weiteren Kompetenzen beeinflusst wird. Sie befürchten ferner eine Qualitätseinbusse bei anderen Fächern und betonen, dass die BFSK an den Schulen schon jetzt umgesetzt werden.

Weiter halten sie fest, dass aufgrund der kurz bemessenen Vernehmlassungsfrist kein Einbezug der Lehrpersonenkonvente stattfinden konnte.

Hochschulen

Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) kritisiert die aus ihrer Sicht unvollständige Festlegung der Studierkompetenzen insbesondere im Bereich der Mathematik. Deren Erarbeitung sei nicht in Absprache mit Hochschulvertreterinnen und - vertretern erfolgt. Die Liste der basalen Kompetenzen scheine eher zufällig. Die ETHZ ist gegen eine Aufnahme in den Rahmenlehrplan und verlangt, den Bericht als Empfehlung zur weiteren Bearbeitung den Mittelschulen und im Rahmen der Konferenz an der Schnittstelle Hochschule-Gymnasium (HSGYM) zukommen zu lassen.

Die Universität Zürich stuft den Bericht als wertvollen Beitrag zur Klärung der grundlegenden Anforderungen an die Maturität in Erstsprache und Mathematik ein. Sie warnt aber vor den Folgeproblemen (zusätzlichen Tests, Befähigung der Lehrpersonen zu valider Beurteilung der basalen Kompetenzen). Sie votiert für die Aufnahme der BFSK in ein ergänzendes Dokument zum Rahmenlehrplan.

Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften begrüsst die Festlegung der BFSK im Rahmenlehrplan, verlangt aber die Umsetzung auf kantonaler Ebene.

Die Pädagogische Hochschule Zürich sieht notwendige Ergänzungen der BFSK im Bereich Mathematik. Für Mathematik und Deutsch fehlten Vorschläge für konkrete Massnahmen und eine mögliche Priorisierung.

Weitere Vernehmlassungsadressaten

Der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband, die Lehrpersonenkonferenz Berufsfachschulen (LKB) sowie die Kantonale Elternmitwirkungs-Organisation warnen vor zu vielen Tests (Vergleichstest, Multiple Choice). Die LKB regt zudem zwei Niveaus im Mathematikunterricht und die Senkung der Klassengrösse (Sicherung der Ressourcen) an. Die Berufsfachschulrektorenkonferenz vermisst im Konzept der BFSK eine Zweitsprache.

Die Wirtschaftsverbände begrüssen den Bericht, verlangen aber griffigere Massnahmen. Die Vereinigung Zürcherischer Arbeitgeberorganisationen, die sich im Namen weiterer Verbände (Kantonaler Gewerbeverband, Verband Zürcher Handelsfirmen, Vereinigung Zürcherischer Arbeitgeberverbände der Industrie) vernehmen liess, verlangt die Etablierung von Bildungsstandards in Mathematik und Erstsprache und eine Umsetzung
auf gesamtschweizerischer Ebene. Angesichts des zu erwartenden politischen Widerstands votiert sie für den Einbezug in den Rahmenlehrplan, die Ansetzung der schulorganisatorischen Massnahmen auf kantonaler Ebene und eine schweizerische Koordination der didaktisch-unterstützenden Ebene. Die Zürcher Handelskammer fordert zusätzlich eine Definition der basalen Kompetenzen in Mathematik und Deutsch für das gesamte Fächerangebot, warnt aber vor einer «BFSK-Schlussprüfung».

Ämter

Die eingeladenen Ämter (Volksschulamt, Amt für Jugend und Berufsberatung, Bildungsplanung) äussern sich grundsätzlich zustimmend zum Bericht. Die Bildungsplanung äussert sich kritisch zu einer verbindlichen Einforderung der Kompetenzen bei allen Schülerinnen und Schülern. Der dafür notwendige grosse Zeit-, Arbeits- und Organisationsaufwand stehe in keinem Verhältnis zum erhofften Nutzen. Deshalb sollten die Schulen prüfen, welche der vorgeschlagenen Massnahmen zu effektiven Verbesserungen führen würden. Das Volksschulamt sieht Bedarf, die Überlegungen zur Leistungsbeurteilung beziehungsweise Sicherstellung der Kompetenzen zu präzisieren und einem weiteren Diskussions- und Entscheidungsprozess zuzuführen.

Eine Reihe von Stellungnehmenden regen sodann an, die Schulen der Tertiärstufe stärker in die Thematik miteinzubeziehen. In verschieden Stellungnahmen wird die Wiedereinführung doppelt zählender Fächer (u.a. Erstsprache, Mathematik) vorgeschlagen, verbunden mit einer Aufhebung oder Einschränkung der Kompensationsmöglichkeiten. Weiter kritisiert wird die Datenbasis des Berichts, welcher auf nur 40 befragte Personen abstützt. Abgelehnt wird in verschiedenen Stellungnahmen überdies das Angebot von Stützkursen.

Die bildungsrätliche Kommission Mittelschulen hat sich an ihrer Sitzung vom 16. September 2015 mit der Vernehmlassung und den Rückmeldungen aus der Vernehmlassung befasst.

Antrag

Auf Antrag der Bildungsdirektion beschliesst der Bildungsrat:

  • Schreiben an Dr. Martin Leuenberger, Generalsekretariat der Schweizerischen

Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, Haus der Kantone, Speichergasse 6, Postfach 660, 3000 Bern 7 (auch per E-Mail im PDF- und Word- Format an leuenberger@edk.ch):

Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 20. Mai 2015, mit dem Sie dem Kanton Zürich den Schlussbericht «Gymnasiale Maturität – Langfristige Sicherung des Hochschulzugangs, Schlussbericht der Projektleitung und der SMAK zum Teilprojekt 1» zur Stellungnahme unterbreiten und um Beantwortung konkreter Fragen ersuchen.

Es wurden 29 Organisationen aus den Bereichen Mittelschulen, Berufsbildung, Hochschulen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie der Verwaltung zur Stellungnahme eingeladen. In Würdigung der eingegangenen schriftlichen Stellungnahmen äussern wir uns wie folgt:

Die Bestrebungen der EDK im Zusammenhang mit dem Gesamtprojekt «Gymnasiale Maturität – langfristige Sicherung des Hochschulzugangs» werden vom Bildungsrat des Kantons Zürich begrüsst. Es ist ihm ein wichtiges Anliegen, den Hochschulzugang zu sichern und der Schnittstelle Gymnasium – Universität die notwendige Beachtung zu schenken. Entsprechend sind im Kanton Zürich bereits verschiedene Massnahmen in die Wege geleitet worden.

Zu den einzelnen Massnahmen:

Erarbeitung von Basalen Fachlichen Studierkompetenzen (BFSK) in
Mathematik und Erstsprache

Antrag 1:

Die Festlegung der BFSK erfolgt in einem Anhang zum Rahmenlehrplan.

Begründung

Die Festlegung im Rahmenlehrplan sichert die interkantonale Verbindlichkeit. Gleichzeitig sorgt diese Lösung für eine praktikable und einfache Regelung, welche den nötigen Gestaltungsspielraum der Kantone sichert und die geeignete Umsetzung auf Ebene Schule ermöglicht. Da der Rahmenlehrplan einen höheren Abstraktionsgrad besitzt, soll die Festlegung der BFSK in einem Anhang erfolgen. Damit können Systembrüche vermieden werden.

Ebene der Umsetzung (dezentral, kantonal oder interkantonal)

Antrag 2:

Die Umsetzung der BFSK bzw. der entsprechenden Massnahmen erfolgt auf Empfehlung der EDK durch die einzelnen Kantone.

Begründung:

Dies ermöglicht den Kantonen, gemeinsam mit den Gymnasien, ihren Fachschaften und den Hochschulen (vgl. im Kanton Zürich Konferenz an der Schnittstelle Hochschule-Gymnasium [HSGYM]) geeignete Massnahmen auszuarbeiten und umzusetzen. Zudem kann die didaktische Umsetzung direkt an den Schulen erfolgen. Dabei sollen alle Fächer einbezogen werden, was insbesondere bei den BFSK zur Erstsprache von Bedeutung ist. Verfahren zur Überprüfung der BFSK können schulseitig beziehungsweise in Zusammenarbeit mit den Hochschulen entwickelt, erprobt und bei Eignung regional oder kantonal übernommen werden. Voraussichtlich wird auch Weiterbildungsbedarf entstehen. Es soll deshalb weiterhin die Möglichkeit bestehen, zusätzliche Weiterbildungsangebote auf Bundesebene anzubieten.

Zusätzlicher Antrag:

Als zusätzliches Fach wird Englisch in die BFSK aufgenommen.

Begründung:

Obwohl das Fach nicht Gegenstand der vorliegenden Vernehmlassung war, erlauben wir uns eine Bemerkung zum Englisch. Gemäss dem Bericht zum Teilprojekt 1 stützen Studien den Befund von Kompetenzlücken auch im Fach Englisch. Englisch wurde, neben Informatik, in einer früheren Phase des Teilprojekts 1 bereits als zusätzliches Fach neben Mathematik und Erstsprache erwogen. Englisch gilt als Weltsprache und ist an den Hochschulen in fast allen Studienrichtungen unentbehrlich. Ferner ist es an einer wachsenden Zahl von Arbeitsplätzen der Hochschulabgängerinnen und -abgänger Englisch tägliche Umgangssprache.

  • Publikation des vorliegenden Beschlusses im Schulblatt sowie, einschliesslich der

Zusammenstellung der Vernehmlassung im Kanton Zürich, in geeigneter Form im Internet.

  • Mitteilung an: an den Präsidenten der Präsidentenkonferenz Schulkommissionen

Mittelschulen, Herrn Eric Huggenberger; den Präsidenten der Schulleiterkonferenz Mittelschulen, Herrn Dr. Christoph Wittmer; den Präsidenten der Lehrpersonenkonferenz Mittelschulen, Herrn Marcel Meyer; den Mittelschullehrerverband Zürich sowie das Mittelschul- und Berufsbildungsamt.

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