Volksschule. Änderung des Zeugnisreglements (Projekt «Belastung - Entlastung im Schulfeld»). Freigabe zur Begutachtung und Vernehmlassung

Inhaltsverzeichnis

Beschluss Bildungsrat
2011/33
Sitzungsdatum
22. Juni 2011

Ausgangslage

Rechtliche Grundlagen

Gemäss § 31 des Volksschulgesetzes vom 7. Februar 2005 (VSG, LS 412.100) werden die Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufe regelmässig beurteilt. Berücksichtigt werden insbesondere die Leistung, die Lernentwicklung und das Verhalten. Das Volksschulgesetz überträgt die Kompetenz zur Festlegung der schriftlichen Form der Beurteilung dem Bildungsrat (§ 31 Abs. 3 VSG). Dieser legt im Reglement über die Ausstellung der Schulzeugnisse an der Volksschule (Zeugnisreglement) vom 1. September 2008 (ZRgl, LS 412.121.31) fest, wie die Beurteilung der Schülerleistungen im Zeugnis in Form von Noten (Gesamtleistungen in den Fächern) und der Zuordnung von Begrifflichkeiten (Lernentwicklung und Verhalten) zu erfolgen hat.

Notengebung und Beurteilung

In den Zeugnissen erfolgt die Notengebung in den Fächern des Lehrplans (Pflicht-, Frei- und Wahlfächer (§ 2 ZRgl). Die Lehrpersonen haben zweimal jährlich ein Zeugnis auszustellen, je auf Ende Januar und auf Ende des Schuljahres (§ 3 ZRgl). Auf der Kindergartenstufe und in der 1. Klasse der Primarstufe werden keine Noten erteilt (§ 4 ZRgl). Statt einer Benotung erfolgen Elterngespräche. Diese finden mindestens zweimal jährlich statt, in der Regel je ein Gespräch pro Semester (§ 4 Abs.1 ZRgl). Auf der Kindergartenstufe kann dann auf die Durchführung eines zweiten Elterngesprächs verzichtet werden, wenn Eltern bzw. Erziehungsberechtigte dies ausdrücklich wünschen und die verantwortliche Kindergartenlehrperson damit einverstanden ist (§ 4 Abs.2 ZRgl).

In Deutsch, Französisch und Englisch werden die Schülerleistungen differenziert beurteilt. Neben der Gesamtnote in den einzelnen Fächern werden die vier Teilbereiche Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben gemäss Lehrplan abgebildet (§ 5 und § 7 ZRgl). Damit ist gewährleistet, dass nicht allein sprachproduktive Fertigkeiten beurteilt werden. 

Projekt «Belastung - Entlastung im Schulfeld»

Im Sommer 2009 lancierte Bildungsdirektorin R. Aeppli das Projekt «Belastung - Entlastung im Schulfeld». Unter Leitung einer externen Fachperson analysierten die Verbände von Schulbehörden, Schulverwaltungen, Lehrpersonen und Schulleitenden sowie Vertretungen von Pädagogischer Hochschule und Bildungsdirektion die Belastungssituation an der Volksschule und skizzierten Entlastungsmöglichkeiten. Dabei wurde auch vorgeschlagen, den Beurteilungsaufwand bei der Erstellung der Zeugnisse zu reduzieren. Hauptzielsetzung des detaillierten Vorschlags ist einerseits eine Verminderung des zeitlichen Aufwands durch eine Änderung des Zeugnisrhythmus, aber auch ein Zugewinn an konzeptioneller Klarheit. Konkret werden fünf Massnahmen vorgeschlagen:

  1. Änderung des Zeugnisrhythmus auf der Kindergartenstufe und auf der Primarstufe;
  2. Beurteilungsinstrumente zu den Sprachlehrmitteln im Fach Deutsch;
  3. benutzerfreundlichere Zeugnissoftware;
  4. Schaffung eines einheitlichen Beurteilungskonzepts im Sinne einer Orientierungshilfe;
  5. Ausfüllen und Ausdrucken der Zeugnisformulare durch die Schulverwaltungen.

Weitere Entlastungsmassnahmen

Die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler ist in den Sprachfächern besonders aufwändig. In den Zeugnissen werden die Schülerleistungen mit einer Note beurteilt. Zusätzlich sind in Deutsch, Französisch und Englisch die vier Teilbereiche Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben abzubilden. Der zeitliche Aufwand hierfür ist vor allem für Lehrpersonen, welche an der Sekundarstufe unterrichten, nicht unerheblich. Entsprechend ist zusätzlich zu den Entlastungsvorschlägen aus dem Projekt Belastung - Entlastung im Schulfeld zu prüfen, ob zumindest teilweise auf die Beurteilung der Teilbereiche in den Sprachen und deren Abbildung in den Zeugnissen verzichtet werden soll.

Erwägungen

Grundsätzliche Überlegungen

Lehren, Lernen, Fördern und Beurteilen sind das Fundament für erfolgreichen Unterricht. Die wichtigste Aufgabe der Lehrpersonen besteht darin, den Lernprozess zu prägen und zu begleiten. Aussagen zur Entwicklung und zum Lernstand gehören zwingend zum Lernen. Kinder haben ein Anrecht darauf zu wissen, wie und ob sie gut lernen. Diese unterstützende Beurteilung erlaubt es den Lehrerinnen und Lehrern, auf die individuellen Lernwege der Schülerinnen und Schüler einzugehen und den Unterricht entsprechend den Bedürfnissen zu planen. In diesem Kontext erfüllt das Zeugnis im Wesentlichen vier Funktionen:

  • Orientierungsfunktion: Schülerinnen und Schüler, Eltern und Erziehungsberechtigte sowie Lehrpersonen erhalten eine Information über den Leistungsstand, der in einer bestimmten Beobachtungsperiode erreicht wurde.
  • Motivationsfunktion: Durch die Aussicht, gute Leistungen darin dokumentiert zu finden, hat das Zeugnis eine Anreiz- und Motivationsfunktion.
  • Auslesefunktionen: Beim Übertritt in die Gymnasien werden die Erfahrungsnoten bei den Aufnahmeprüfungen mitberücksichtigt.
  • Kontrollfunktion: Der Staat kontrolliert den Schulbesuch und die Erfüllung der Schulpflicht.  Das Zeugnis bildet den Schulbesuch ab.

Entlastungsmassnahmen im Einzelnen

Änderung des Zeugnisrhythmus

Bei einer allfälligen Änderung des Zeugnisrhythmus sind § 3 und § 4 ZRgl anzupassen. Für die einzelnen Schulstufen drängen sich dabei unterschiedliche Lösungen auf.

Elterngespräche im Kindergarten und in der 1. Klasse (§ 4 ZRgl)

Es soll nur noch ein Elterngespräch pro Schuljahr stattfinden.

Heute neu
2 Elterngespräche pro Jahr. Auf Wunsch der Eltern und der Lehrperson findet nur eines statt. 1 Elterngespräch pro Jahr, das jeweils bis Ende des 3. Quartals geführt werden muss.

Begründung:
Bis anhin führen die verantwortliche Kindergartenlehrperson bzw. die Erstklasslehrperson und die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten zweimal jährlich ein Gespräch, um sich gegenseitig über den Entwicklungsstand, das Wissen, das Können und die Disposition des Kindes zu informieren. Die Minimalvorgabe von zwei Gesprächen pro Jahr kann vor allem dann zu einem unverhältnismässigen Mehraufwand führen, wenn die Leistungen und das Verhalten des einzelnen Kindes zu keinen Bemerkungen Anlass geben. Deshalb soll künftig nur ein Elterngespräch vorgeschrieben sein. Weitere Gespräche im Einzelfall sind gemäss § 61 Volksschulverordnung bei Bedarf zusätzlich zu führen.

Zeugnisse der 2. bis 5. Klasse (§ 3 ZRgl)

Es wird nur noch ein Zeugnis jeweils am Ende des Schuljahres ausgestellt.

Heute neu
2 Zeugnisse jeweils Ende Semester. 1 Zeugnis am Ende des Schuljahres

Begründung:
Gestützt auf § 60 und § 61 Volksschulverordnung haben sich Lehrpersonen und Eltern bei auftretenden Schwierigkeiten, speziellen Ereignissen oder aussergewöhnlicher Entwicklung von Leistung und Verhalten gegenseitig zu informieren. Entsprechend hat der allfällige Verzicht auf ein Zeugnis im Jahr auf die unterstützenden Prozesse der Beurteilung keinen Einfluss. Der Informations- und Wissensstand ist damit auch in längeren Phasen ohne Zeugnis gewährleistet.

Zeugnisse der 6. Klasse und der Sekundarstufe (§ 3 ZRgl)

Der Zeugnisrhythmus wird nicht geändert. Wie bis anhin wird jeweils Ende Januar und am Ende des Schuljahres ausgestellt.

Heute (§ 3 ZRgl) neu
6. Klasse: 2 Zeugnisse jeweils Ende Semester wie bisher
Sekundarstufe: 2 Zeugnisse jeweils Ende Semester, Standortgespräch(e) im Rahmen des Projekts 3. Sek. wie bisher

Verzicht bzw. teilweiser Verzicht auf die Beurteilung der Teilbereiche in Sprachen

Das Zeugnis bildet in den Sprachfächern neben der Note den Lehrplan mit den vier Teilbereichen Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben ab. Seitens der Lehrpersonen wird diese Beurteilungsform zwar als richtig beurteilt, die Auffächerung führt aber in der Schulpraxis teilweise zu einem Missverhältnis zwischen der Unterrichtszeit für Lernen und der Unterrichtszeit für Lernstandserfassung.

Auch wenn sich ein moderner Sprachenunterricht dadurch auszeichnet, dass das Hör- und Leseverständnis und das Sprechen ebenso wesentlich sind wie das Schriftliche, sollen doch Entlastungsmassnahmen hinsichtlich der Erfassung der Leistungen und deren Abbildung in den Zeugnissen geprüft werden. Der Beurteilungsaufwand könnte insbesondere auf der Sekundarstufe verringert werden. Dabei sind folgende Varianten denkbar:

Variante 1:

Auf die Beurteilung von Teilbereichen in Sprachen wird vollständig verzichtet.

Variante 2:

Wie bis anhin werden im Zeugnis am Ende des Schuljahres die Leistungen in Sprachen in den Teilbereichen beurteilt und zusätzlich in Form von Noten abgebildet. Neu sollen im Januarzeugnis die sprachlichen Leistungen nur noch mittels Noten abgebildet werden.

Die gesamtschweizerische Diskussion um eine neue Form der Schülerbeurteilung wird in den nächsten Jahren weitere Konsequenzen für das Beurteilungssystem der Zürcher Volksschule haben. Längerfristig ist davon auszugehen, dass die Kompetenzorientierung des Lehrplans 21 im Vergleich zu den heutigen Zeugnissen eine differenziertere Beurteilung in allen Fächern zur Folge haben wird (Darstellung des Lernstands in verschiedenen Kompetenzbereichen pro Fach). Wie entsprechende Zeugnisse ausgestaltet sein könnten, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Allerdings sind erste Vorarbeiten im Hinblick auf ein kompetenzorientiertes Zeugnis im Rahmen der Weiterführung des Projekts Chance Sek geleistet worden (BRB vom 24. Januar 2011).

Beurteilungsinstrumente zu den Sprachlehrmitteln im Fach Deutsch

In stufenspezifischen Austauschtreffen mit der Lehrerschaft hat die Bildungsdirektion den Bedarf an zusätzlichen Materialien und Instrumenten zur Beurteilung der Sprachleistungen ermittelt. Es zeigte sich, dass für Englisch und Französisch bereits genügend geeignete und praxistaugliche Instrumente zur Verfügung stehen. Das noch fehlende Assessment Pack zum Englischlehrmittel auf der Sekundarstufe wird ab September 2011 verfügbar sein. Für Deutsch besteht aber grosser Bedarf.

Der Entwicklung von Beurteilungsmaterialien in Deutsch wird deshalb eine hohe Priorität eingeräumt. Das Lehrmittelsekretariat des Volksschulamts hat sich dieser Fragestellung bereits angenommen.

Benutzerfreundlichere Zeugnissoftware

Das Schulfeld beurteilt die Benutzerfreundlichkeit der Zeugnisformulare bzw. der zur Verfügung stehenden Zeugnissoftware teilweise als verbesserungswürdig. Entsprechend sind diese bis zum Zeitpunkt einer nächsten Anpassung der Zeugnisformulare zu überprüfen und allenfalls zu optimieren. Das Volksschulamt nimmt sich dieses Anliegens unter Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern des Schulfelds an.

Schaffung eines einheitlichen Beurteilungskonzepts im Sinne einer Orientierungshilfe

Für die Beurteilung der Schülerleistungen an der Volksschule existieren zwar einzelne Planungshilfen, ein umfassendes, einheitliches und transparentes Beurteilungskonzept fehlt jedoch. Dies führt im Schulfeld immer wieder zu Unsicherheiten. So ist beispielsweise für Lehrpersonen, Eltern und weitere Aussenstehende nicht restlos klar, wie Beurteilungen in den Zeugnissen entstehen und wie belegbar sie sein müssen. Dies führt teilweise zu einem unverhältnismässigen Prüfungsaufwand.

Lehrpersonen wünschen sich Hinweise, wie sie dem Anspruch der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern auf Transparenz bezüglich der Beurteilung von Leistungen und deren Abbildung in den Zeugnissen besser gerecht werden können. Eltern erwarten mehr Klarheit, wie Noten und Beurteilungen zustande kommen. Bezirksräte suchen nach generellen Kriterien, nach welchen sich Aufsichtsbeschwerden beurteilen lassen.

Zu diesem Zweck ist das Volksschulamt daran, die Planungshilfe «Beurteilung und Schullaufbahnentscheide» mit weiteren Partnern des Schulfelds zu überarbeiten und hinsichtlich der erwähnten Aspekte zu erweitern. Allenfalls werden weitere, adressatenspezifische Unterlagen erstellt.

Ausfüllen und Ausdrucken der Zeugnisformulare durch die Schulverwaltungen

Das Ausstellen der Schulzeugnisse beansprucht zeitliche Ressourcen. Teilweise aufgrund fehlender Routine verursacht die Bereitstellung der digitalen Formulare und deren Ausdruck oft unverhältnismässig grossen Aufwand bei den Klassenlehrpersonen.

Den Schulpflegen wird empfohlen, die Schulverwaltungen zu beauftragen, der Lehrerschaft bei Bedarf und nach Möglichkeit das Ausfüllen und den Druck der Zeugnisformulare anzubieten.

Begutachtung, Vernehmlassung

Gemäss § 7 Synodalverordnung nimmt die Lehrerschaft an den Schulkapiteln Stellung zu wichtigen schulischen Fragen, insbesondere zu Lehrmitteln, zu wesentlichen Änderungen des Lehrplans sowie zu Änderungen wesentlicher Rechtserlasse, welche die Volksschule betreffen.

Der Vorstand der Lehrpersonenkonferenz der Volksschule wird beauftragt, die Begutachtung durch die Schulkapitel anzuordnen. Gleichzeitig wird eine Vernehmlassung durchgeführt. Die Begutachtungs- und Vernehmlassungsfrist wird auf den 30. November 2011 festgesetzt.

Antrag

Auf Antrag der Bildungsdirektion beschliesst der Bildungsrat:

  • Es wird mit Frist bis zum 30. November 2011 ein Vernehmlassungsverfahren zu den Änderungen des Reglements über die Ausstellung der Schulzeugnisse (Zeugnisreglement) an der Volksschule durchgeführt.
  • Die Lehrpersonenkonferenz der Volksschule wird beauftragt, die geplanten Änderungen des Zeugnisreglements und den Vorschlag für ein neues Zeugnisformular der Primarschule bis zum 30. November 2011 zu begutachten.
  • Zur Vernehmlassung bzw. zur Begutachtung mit Frist vom 30. November 2011 werden eingeladen die Schulpflegen, das Departement Schule und Sport Winterthur, das Schul- und Sportdepartement Stadt Zürich, der Verband Zürcherischer Schulpräsidien, die Vereinigung der Schulleiterinnen und Schulleiter des Kantons Zürich, der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband, der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste Sektion Zürich, Sektor Lehrberufe, der Berufsverband der Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich, die Lehrpersonenkonferenz der Mittelschulen, die  Lehrpersonenkonferenz der Berufsfachschulen, der Mittelschullehrerverband, die Pädagogische Hochschule Zürich, die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, die Sonderschulen, die Vereinigung des Personals Zürcherischer Schulverwaltungen, der Kantonale Gewerbeverband, die Vereinigung Zürcherischer Arbeitgeberorganisationen, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, Sektion Zürich, der Verein Schule und Elternhaus Zürich, die Vereinigung der Elternorganisationen im Kanton Zürich, der Verband Zürcher Privatschulen sowie die Ämter der Bildungsdirektion.
  • Publikation des Bildungsratsbeschlusses in geeigneter Form im Schulblatt bzw. im Internet.

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