3. Besonderheiten bei Medizinprodukten

Der folgende Abschnitt bietet eine Orientierungshilfe zur rechtlichen Einordnung und erläutert, welche Gesetze und Kriterien massgebend sind, um eine Softwarelösung im Bereich der Medizinberichterstattung als Medizinprodukt einzustufen.

Einleitung

Insbesondere beim Einsatz von generativer KI (z.B. LLMs) für die Analyse und Erstellung von Medizinberichten ist die Unterscheidung von rein administrativen Hilfsmitteln und medizinischen Anwendungen nicht immer eindeutig. Gerade bei KI- Software, die klinische Informationen zusammenfasst, priorisiert, interpretiert, diagnostisch relevante Aussagen generiert oder Therapieempfehlungen unterstützt, stellt sich regelmässig die Frage, ob eine Einstufung als Medizinprodukt erforderlich ist. Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen, die eine solche Qualifizierung für Entwicklung, Herstellung, Marktzulassung, Vertrieb, Verkauf, Wartung und Betrieb der betreffenden Software mit sich bringt, ist eine gründliche Abklärung dringend zu empfehlen. Der folgende Abschnitt bietet eine Orientierungshilfe zur rechtlichen Einordnung und erläutert, welche Gesetze und Kriterien massgebend sind, um eine Softwarelösung im Bereich der Medizinberichterstattung als Medizinprodukt einzustufen.

Welche Gesetze sind im Bereich von Medizinprodukten einschlägig?

In der Schweiz unterliegen Medizinprodukte einer klar geregelten Gesetzgebung, die sich stark an den Vorgaben der EU orientiert. Das Heilmittelgesetz ist das Rahmengesetz, das die gesetzlichen Grundlagen für alle Heilmittel schafft – also sowohl für Arzneimittel als auch für Medizinprodukte. Für die Medizinprodukte sind die Medizinprodukteverordnung (MepV) und die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IvDV) relevant.

Die In-vitro-Diagnostika-Verordnung ist eine spezialisierte Verordnung, die sich ausschliesslich mit In-vitro-Diagnostika (IVD) beschäftigt. Als Pendant zur MepV regelt sie alles, was ausserhalb eines lebenden Organismus im Reagenzglas oder in einem Laborgerät durchgeführt wird. Sie ist aber – wie der Name schon sagt – auf Diagnostika, das heisst Tests, anwendbar und spielt für die hier behandelten Anwendungsfälle eine untergeordnete Rolle. Der Fokus der nachfolgenden Ausführungen richtet sich deshalb auf die MepV.

Wann liegt ein Medizinprodukt vor?

Als Medizinprodukt gelten gemäss Art. 3 MepV Instrumente, Apparate, Geräte, Software, Implantate, Reagenzien, Materialien oder andere Gegenstände, die für den Einsatz am Menschen bestimmt sind und die sich auf das Individuum ausrichten. Produkte, die zum Nutzen einer Population und nicht eines Individuums verwendet werden, sind vom Begriff ausgenommen.

Eine weitere Voraussetzung für Medizinprodukte ist, dass die bestimmungsgemässe Hauptwirkung nicht durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mittel erreicht wird. Zwar kann die Wirkungsweise eines Medizinprodukts durch solche Mittel unterstützt werden, aber wenn die Hauptwirkung pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch ist, handelt es sich nicht mehr um ein Medizinprodukt, sondern um ein Arzneimittel. Dann kommen die entsprechenden Vorschriften zur Anwendung.

Medizinprodukte (inklusive In-vitro-Medizinprodukte) erfüllen allein oder in Kombination einen oder mehrere spezifische medizinische Zwecke, beispielsweise die Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen, die Untersuchung, den Ersatz oder die Veränderung der Anatomie oder von physiologischen oder pathologischen Vorgängen oder Zuständen oder die Gewinnung von Informationen durch die In-vitro- Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben.

Auch eine Software kann ein Medizinprodukt sein, wenn sie die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, das heisst, wenn sie für den Einsatz am Menschen bestimmt ist, ihre Hauptwirkung nicht pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch ist und sie einen medizinischen Zweck hat. Eine Software ist kein Medizinprodukt, wenn sich die Verarbeitung der medizinischen Daten auf die Speicherung, die Archivierung, die einfache Suche, die Kommunikation oder die verlustfreie Kompression beschränkt (MDCG 2019-11). Swissmedic hat zum Thema Abgrenzung zwischen Software als Medizinprodukt und Software als Nicht-Medizinprodukt das Merkblatt «Medizinprodukte-Software» veröffentlicht (siehe Infos zu bestimmten Medizinprodukten).

Eine Software, die eine medizinische Hardware kontrolliert, steuert oder deren Daten auswertet, gilt ebenfalls als medizinische Software (z.B. eine Firmware). Besonders herausfordernd ist die Frage, ob Beschränkung auf Speicherung, Archivierung, Kommunikation, einfache Suche oder verlustfreie Kompression vorliegt, bei einer Software, die medizinische Bilder anzeigt. Ein reines Anzeigen und damit keine Medizinproduktfunktion liegt in der Regel vor, wenn nur die Helligkeit verändert wird, um die Anzeige zu verbessern. Sobald jedoch eine funktionale Veränderung vorgenommen wird – etwa durch die nachträgliche Kontrastanpassung eines medizinischen Bildes –, kann dies dazu führen, dass das System als Medizinprodukt einzustufen ist. Dasselbe gilt, wenn eine Längen-, Flächen- oder Volumenmessung ermöglicht wird, oder die Software automatisch nach verdächtigen Strukturen im Bild sucht.

Wann hat eine Software einen medizinischen Zweck?

Software hat einen medizinischen Zweck, wenn sie dazu bestimmt ist, beim Menschen entsprechend verwendet zu werden, beispielsweise für die Diagnose, Prävention, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen, die Untersuchung, den Ersatz oder die Veränderung der Anatomie oder von physiologischen oder pathologischen Vorgängen oder Zuständen. Die Zweckbestimmung ist vom Hersteller vorzunehmen. Diese muss auf der Kennzeichnung (Label) oder in der Gebrauchsanweisung ersichtlich sein und konsistent im Werbe- oder Verkaufsmaterial wiedergegeben werden.

Welche Regeln gelten, wenn ein Tool auch in der EU eingesetzt werden soll?

Soll die Software nicht nur in der Schweiz eingesetzt werden, sondern auch in der EU, ist sie zusätzlich der europäischen KI-Verordnung (EU 2024/1689) unterstellt. Softwareprodukte, die unter der Medical Device Regulation (MDR) der Klasse IIa oder höher bzw. unter der In Vitro Diagnostic Regulation (IVDR) der Klasse B oder höher zugeteilt sind, gelten unter dem EU AI Act automatisch als Hochrisikoprodukte, für die erweiterte Anforderungen an die technische Dokumentation gelten und die somit einem Konformitätsbewertungsverfahren unterliegen.

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