Wenn der Funke überspringt
Schulblatt 05.12.2025
Die Welt der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist ihr Metier: Lea Hasler ist Geschäftsführerin von «IngCH MINT for our Future». Der Verein setzt sich seit 38 Jahren dafür ein, Kindern und Jugendlichen MINT-Berufe nahezubringen.
Auf dieser Seite
Text: Julia Driesen-Rosenberg Foto: Stephan Rappo
Veraltete Denkmuster, mangelnde Orientierung, abstrakte Berufsbilder – all das macht den sogenannten MINT-Berufen zu schaffen. Dabei sind die Perspektiven hervorragend: Kaum eine Branche sucht so dringend Nachwuchs wie jene von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Genau hier setzt IngCH an. Seit fast vier Jahrzehnten bringt der von MINT-Unternehmen getragene Verein Kinder und Jugendliche mit Fachleuten aus der Praxis zusammen. Durch Techniktage, Workshops oder Projektwochen in Schulen und Betrieben sollen Jungen und gerade auch Mädchen für eine MINT-Karriere begeistert werden. Insbesondere Schülerinnen und Schüler in der Berufs- und Studienwahlphase sollen so erfahren, was hinter den Studienrichtungen oder Berufen im MINT-Bereich steckt. «Viele Jugendliche wissen nicht, was zum Beispiel eine Materialwissenschafterin oder ein Polymechaniker überhaupt machen. Wir zeigen ihnen, welche spannenden Chancen MINT-Branchen bieten», sagt IngCH-Geschäftsführerin Lea Hasler. Diese Aufklärungsarbeit ist ihr zur Herzensangelegenheit geworden.
Dabei war Haslers eigener Weg zunächst ein anderer. Aufgewachsen in einer technikaffinen Familie, entschied sich die Zürcherin für ein Sprachstudium. Ihre berufliche Laufbahn begann die heute 38-Jährige in der Kommunikation, während sie parallel als Tanzlehrerin unterrichtete. Kurz nach dem Studienabschluss brachte sie der Zufall zum Verein IngCH. Das Praktikum an der Schnittstelle von Bildung, Kommunikation und Wirtschaft faszinierte sie. Sie blieb und wurde Projektleiterin.
Lea Hasler war in dieser Zeit viel unterwegs. Sie besuchte Schulen und Unternehmen und brachte dort Kinder und Jugendliche im Rahmen von Workshops und Projektwochen mit MINT-Themen in Berührung. Auch heute, als Geschäftsführerin, ist sie noch regelmässig vor Ort im Einsatz. «Zu sehen, wie bei Jugendlichen der sprichwörtliche Funke überspringt – das ist wunderschön. In die nächste Generation zu investieren, lohnt sich doch immer, oder?», sagt sie.
«Gerade die Berufswahlphase ist eine sensible Zeit – da brauchen Jugendliche viel Unterstützung und Freiraum zugleich.»
Lea Hasler, Geschäftsführerin von IngCH
Klischees überwinden
Warum an MINT-Themen interessierte Jugendliche trotz guter Karriere- und Lohnaussichten andere Wege wählen, hat für Hasler verschiedene Gründe. Da wäre etwa die Vielzahl an Berufsbildern im MINT-Bereich: «Die Auswahl ist heute schier riesig. Es ist einerseits toll für junge Menschen, dass sie die Wahl haben. Andererseits sehen wir, dass genau das überfordern und die Orientierung bei der Berufswahl erschweren kann.» Hinzu kommen – nach wie vor – veraltete Geschlechterbilder. «Heute heisst es natürlich nicht mehr: ‹Hey, wir müssen jetzt Mädchen fördern.› Logisch können die Mädchen das genauso gut. Wir sehen aber, dass Mädchen sich teilweise einfach weniger zutrauen als Jungs.»
IngCH setzt deshalb auf Begegnungen – etwa im Rahmen von Technik- und Informatikwochen oder der «Meitli-Technik-Tage»: Fachleute aus der Praxis berichten aus ihrem Berufsalltag – unabhängig von Geschlecht oder Herkunft. «Wenn Jugendliche sehen, dass ganz unterschiedliche Menschen in diesen Berufen erfolgreich und zufrieden sind, verändert das ihre Sicht», betont Hasler. Ein weiterer Punkt ist die Orientierung im Schweizer Bildungssystem. «Wir haben zum Glück ein sehr durchlässiges System», erklärt Hasler. Nach einer Berufslehre gebe es viele Wege, sich weiterzubilden, später vielleicht noch eine Fachhochschule oder Universität zu besuchen. «Um diese Möglichkeiten und Wege zu wissen, kann den Druck beim Berufseinstieg etwas rausnehmen. Gerade die Berufswahlphase ist eine sensible Zeit – da brauchen Jugendliche viel Unterstützung und Freiraum zugleich.»
Freude am Vermitteln
Inzwischen ist Lea Hasler selbst zweifache Mutter. Ihre Söhne sind jedoch noch einige Jahre vom Berufswahlalter entfernt. Gerade bei der Wahl des Berufs spielt das persönliche Umfeld eine zentrale Rolle. «Ich sehe, wie stark Erwartungen von den Eltern oder dem Umfeld Einfluss haben können», sagt sie. Die jungen Menschen sollen aber ihren eigenen Weg gehen, ihren eigenen Interessen folgen. Deshalb sei es wichtig, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Horizont zu erweitern – etwa durch Schnuppertage oder Gespräche mit Lernenden. Das heisst zum Beispiel, einmal selbst Betriebsluft schnuppern oder mit Lernenden in MINT-Berufen über den Alltag und die Aufgaben in ihrer Ausbildung sprechen. «Im persönlichen Austausch zeigt sich schnell, was einem liegt – und was nicht. Und für die Lernenden selbst ist es ebenso bereichernd: Wenn sie den etwas jüngeren Schülerinnen und Schülern von ihren Erfahrungen erzählen, stärkt das ihren Berufsstolz.»
Man spürt schnell: Lea Hasler lebt ihren Beruf. Bildung, Kommunikation und Wirtschaft zu verbinden, treibt sie an. Sie schätzt die Vielseitigkeit, das Netzwerken, das gemeinsame Entwickeln neuer Ideen. Doch am meisten erfüllt sie der Moment, in dem sie spürt, dass ihre Arbeit Wirkung zeigt: «Wenn eine Schülerin am Ende einer Technik-Woche sagt: ‹Ich war mir nicht sicher, was ich studieren will – jetzt schreibe ich mich für Physik ein›, dann ist das die schönste Motivation überhaupt.»