Promptgenau: Besser Englisch lernen mit KI
Schulblatt 10.07.2025
Dank präziser Prompts lernen Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Rychenberg mithilfe von Künstlicher Intelligenz Englisch. Selbst die mündliche Matur lässt sich dank KI beliebig oft durchspielen.
Lilianne spielt gerade die mündliche Englischmatur mit ChatGPT-4o durch. Auf jede Antwort, welche die 18-jährige Maturandin zu George Bernard Shaws «Pygmalion» gibt, erhält sie ein kurzes Feedback, bevor die KI die nächste Frage stellt. Am Schluss gibt der Bot – oder besser die Frauenstimme – ein differenziertes Feedbacksamt Note 5,5 und hält ein Protokoll der Konversation bereit. Michael Beusch, Englischlehrer an der Kantonsschule Rychenberg in Winterthur, und Hansjürg Perino vom kantonalen Digital Learning Hub (DLH) und selbst ehemaliger Englischlehrer hätten dieselbe Note gegeben.
Auch wenn die Frauenstimme nicht immer gleich mit der nächsten Frage herausrückt, sondern sich zwei-, dreimal bitten lässt: Als Übungspartnerin für die mündliche Matur kann KI den Jugendlichen zu mehr Selbstvertrauen in ihre Sprachfähigkeiten verhelfen. «Oftmals getrauen sich die Schülerinnen und Schüler nicht so recht, einfach draufloszusprechen.
Aber bei der KI hört niemand zu und niemand wertet, ausser der Bot», beschreibt Beusch einen der vielen Vorteile dieser Lernmethode. Gut eineinhalb Arbeitstage haben Beusch und Perino in den Prompt für die mündliche Maturprüfung in Englisch investiert. Ausgedruckt belaufen sich die Anweisungen für den Chatbot auf eineinhalb A4-Seiten: Rollenverteilung, Kontext, Prüfungskriterien, Informationen zum literarischen Werk, Diskussionsformat samt Regeln, Prüfungsfragen und schliesslich die Bewertungsgrundlagen – Level C1 und die «Swiss Grading Scale». Die Schülerinnen und Schüler müssen nur noch den Namen des Werks an der entsprechenden Stelle des Prompts einfügen, um die mündliche Übungsprüfung starten zu können. «Voraussetzung ist, dass es sich um Werke handelt, zu denen im Netz viel Material zu finden ist, auf das die KI zurückgreifen kann», erklärt Beusch.
Der Prompt für die Probematur ist quasi die Spitze des Eisbergs. Beusch und Perino bauen zurzeit eine umfassende Sammlung an Prompts für den Englischunterricht für die Sekundarstufen I und II auf. Unterstützt werden sie von mehreren Englischlehrpersonen der Kantonsschulen Uetikon am See, Zürcher Unterland und Hottingen. Wie der Unterricht mit solchen Prompts aussehen kann, zeigt sich an diesem Freitagnachmittag in der Klasse 1b der Kantonsschule Rychenberg.
Die Schülerinnen und Schüler kopieren den Prompt in den Chatbot, der durch die Plattform Fobizz datengeschützt ist, und schon können sie mit den Übungen beginnen. Der Chatbot kombiniert dabei Vokabular und Grammatik, welche sie für die aktuellen Englischlektionen lernen sollen, und lässt die Jugendlichen entsprechende Sätze ins Englische übersetzen.
Nach jeder Übersetzung macht er auf allfällige Fehler aufmerksam. «Die Herausforderung ist es, den Prompt so genau zu formulieren, dass er vorzu Aufgaben erstellt und korrektes Feedback gibt», erklärt Perino. Kein einfaches Unterfangen.
Wenn die Schülerinnen und Schüler merken, dass der Bot halluziniert, geben sie den Lehrern Bescheid. «Bei den bestehenden Prompts passiert dies inzwischen praktisch nicht mehr, aber anhand dieser Infos verbessern wir jeweils die Prompts», sagt Beusch. Damit der Bot das richtige Vokabular abfragt, muss der Lehrer zuerst die Wortlisten aufarbeiten, welche die Jugendlichen dann hochladen und auf die der Bot zurückgreift. Eine Fleissarbeit, die auch ein gewisses Know-how voraussetzt.
Zu Hause für Prüfungen lernen
Die beiden 13-jährigen Schülerinnen Luisa und Zoe üben gern mit der KI. «Auch wenn ich von Hand geschriebene Sachen besser lerne», sagt Zoe, und ihre Sitznachbarin stimmt ihr zu. Die beiden Mädchen sind sich einig, dass die KI super sei, wenn es darum gehe, Fehler direkt zu korrigieren und mit weiteren Übungssätzen trainieren zu lassen. Luisa fügt hinzu: «Wenn wir zu Hause auf eine Prüfung lernen müssen und niemand da ist, der Zeit hat und gut Englisch spricht, können wir mit dem Chatbot lernen.» Einen weiteren Vorteil sehen die beiden darin, dass sie darüber hinaus den Umgang mit dem Tablet und das Zehnfingersystem üben können.
Hansjürg Perino ist in der KI-Arbeitsgruppe des DLH tätig und sagt. «Praktisch alle Lernenden nutzen inzwischen KI. Aber für Lehrpersonen bedeutet dies meistens einen beträchtlichen Mehraufwand, weil sie alles überprüfen müssen, was die KI liefert.» Zudem brauche es eine gewisse Erfahrung, um präzise Prompts zu schreiben und allfälliges Lernmaterial für die KI aufzuarbeiten. Mit der öffentlich zugänglichen Prompt-Sammlung will das Team um Beusch und Perino den Lehrpersonen genau diese Arbeit abnehmen und die Möglichkeiten ausschöpfen, die KI bietet, um grammatikalische Strukturen, das Hörverständnis sowie Sprach- und Schreibkompetenz zu üben. Beusch und Perino sehen in den Prompts bereits auch Potenzial für andere Sprachfächer. «Im Prinzip kann man die Prompts in eine andere Fremdsprache übersetzen lassen und dann beispielsweise die mündliche Französischmatur üben», erklärt Michael Beusch. Die Prompt-Sammlung wird voraussichtlich ab Sommer 2026 für alle Lehrpersonen auf der DLH-Plattform abrufbar sein.
Projekte gefördert durch den Innovationsfonds
In der Serie «Digitale Unterrichtsprojekte» stellt das «Schulblatt» jene Projekte vor, die durch den Innovationsfonds gefördert werden. Dieser wurde 2019 auf Initiative der HSGYM-Leitung in Zusammenarbeit mit der Bildungsdirektion ins Leben gerufen, um Lehrpersonen zu entlasten, die eigene Konzepte für die Nutzung digitaler Medien im Unterricht entwickeln und umsetzen möchten.