Berufslehre heute: Fachmann öffentlicher Verkehr

Lehre nach SBB-Taktfahrplan: In der SBB-Betriebszentrale Ost stellt Tim Höhn die Weichen für sichere Zugverbindungen quer durch die Ostschweiz. Auch nachts, der Lieblingsschicht von Berufsbildnerin Carmela Steiner.

Text: Julia Driesen-Rosenberg Foto: Sabina Bobst

Ob die Züge in der Ostschweiz planmässig auf dem angekündigten Gleis einrollen, entscheidet sich auch in einem verspiegelten Büroturm direkt neben der Ankunftshalle des Zürcher Flughafens. Die gläserne Schiebetür im «Operation Center 1» öffnet sich und gibt den Blick ins SBB-Innere frei. Einen kurzen Ehrfurchtsmoment später stehen die Besucherinnen mittendrin in der Betriebszentrale Ost.

«Wäre das nicht auch was für dich?» Mit dieser Frage des Vaters hatte ein paar Jahre zuvor alles angefangen für Tim Höhn, den künftigen Fachmann öffentlicher Verkehr. «Als ich damals in der Sek auf Lehrstellensuche war, hat mein Vater gerade eine neue Ausbildung als Lokführer angefangen», erzählt der 18-Jährige. So kam auch der Sohn auf den Geschmack des Schienenverkehrs. 

«Die Fluglotsen sind zwar in der Öffentlichkeit bekannter, aber wir machen einen ganz ähnlichen Job.»

Tim Höhn, Lernender

Gefragt, wie man diesen Beruf kurz und einfach erklären könne, hat Tim Höhn sofort eine Antwort parat: «Die Fluglotsen drüben im Tower sind zwar in der Öffentlichkeit bekannter, aber wir machen einen ganz ähnlichen Job – eben für den Schienen- statt für den Luftverkehr.» Herzstück des weitläufigen Büros sind die grossflächigen Bildschirm-Landschaften. Auf ihnen zu sehen sind viele Linien, farbige Zahlen und geometrische Raster.

Tim Höhn und seine Berufsbildnerin Carmela Steiner wissen genau, wo ihre Aufmerksamkeit gefragt ist. Von ihren Bildschirmen aus überwachen sie den Personen- und den Güterverkehr und geleiten ihn sicher und idealerweise pünktlich durch die Region.

Berufsbild «Fachfrau:mann öffentlicher Verkehr» EFZZuerich, 13.1.2025
Modernste Computersysteme unterstützen die Zugverkehrsleitenden und Disponenten bei der Kontrolle der Abläufe, Weichenstellungen und Signaländerungen. Quelle: Sabina Bobst

Der Beruf Fachmann/-frau öffentlicher Verkehr

  • EFZ-Ausbildung: dreijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ).
  • Mögliche Laufbahnen bei login Berufsbildung AG: Zugverkehrsleitung und Mobilität.
  • Ausbildungsbetriebe: Bahnunternehmen wie SBB und andere.
  • Voraussetzungen: Kommunikationsfähigkeit, digitale Affinität und vernetztes Denken, Verantwortungsbewusstsein, Bereitschaft zu unregelmässiger Arbeitszeit.
  • Karrieremöglichkeiten: zum Beispiel dipl. Manager/in öffentlicherVerkehr, dipl. Tourismusfachmann/-frau HF oder Bachelor of Science in Mobility Science FH.

Technik kann nicht alles

Modernste Computersysteme unterstützen die Zugverkehrsleitenden und Disponenten bei der Kontrolle der Abläufe, Weichenstellungen und Signaländerungen. Auch die Durchsagen, die Höhn, Steinerund andere in der Betriebszentrale Ost auslösen und die dann an Bahnhöfen aus den Lautsprechern ertönen, sind seit einigen Jahren grösstenteils automatisiert. Doch insbesondere, wenn es einmal nicht reibungslos läuft, braucht es den Menschen.

«Bei einer grösseren Störung sind wir es, die mit den Lokführern sprechen, Wartende an den Bahngleisen durchs Mikrofon informieren oder uns für die Verzögerung entschuldigen», erklärt Carmela Steiner. «Sobald es irgendwo im Netz hakt oder eine Baustelle den Verkehrsfluss behindert, greifen wir ein und schauen, dass alle Züge gut an einander vorbei ins Ziel und wir möglichst rasch wieder zum Normalbetrieb kommen.»

Wer diesen Beruf wählt, trägt also Verantwortung. «Während der Lehre geht es aber erst einmal in die Übungsumgebung», betont die 26-jährige Carmela Steiner, die seit mehreren Jahren Lernende betreut.

«Sobald es irgendwo im Netz hakt oder eine Baustelle den Verkehrsfluss behindert, greifen wir ein und schauen, dass alle Züge gut an einander vorbei ins Ziel und wir möglichst rasch wieder zum Normalbetrieb kommen.»

Carmela Steiner, Berufsbildnerin

Ob sie die Laufbahn Zugverkehrsleitung oder Mobilität einschlagen wollen, entscheiden die Lernenden der login Berufsbildung AG, des Berufsbildungsverbundes für den öffentlichen Verkehr, vorab. Das zweite Ausbildungsjahr verbringen sie dann im jeweils anderen Fachbereich. In Tim Höhns Fall war das die Mobilität. «In der Laufbahn Mobilität lernt man, wie Personal- und Fahrzeugeinsätze geplant werden und wie man einen Fahrplan ausarbeitet», erzählt er. «Die Chance, auch diese Bereiche kennenzulernen, finde ich toll.»

Wie ist es ihm am Anfang der Ausbildung ergangen? «Es gibt Bahnhöfe und Bahnhöfe», entgegnet der junge Mann lachend.«Ich war direkt am Anfang im Sektor Zürich tätig. Mit dem Hauptbahnhof und einigen weiteren Bahnhöfen inder Stadt ist da entsprechend viel los auf den Gleisen – nach ein paar Wochen habe ich mich aber gut zurechtgefunden.»

Und auch, wenn sich die Lage im Kommandoraum bei einem Störungsfall binnen Sekunden ändern könne, seien Rollen, Prozesse und Abläufe klar definiert – «man holt dann einfach die richtige Checkliste aus der Schublade». Inzwischen ist Höhn im dritten Lehrjahr, im Sommer stehen seine Abschlussprüfungen an. Er möchte bleiben, Erfahrungen im Beruf sammeln und in absehbarer Zukunft die Berufsmatur erwerben.

Blick aus dem Fenster eines Büros auf den Flughafen
Blick aus dem Büro: Das «Operation Center 1» liegt direkt neben dem Zürcher Flughafen. Quelle: Julia Driesen-Rosenberg

Schichtbetrieb macht flexibel

Neben seinem Job spielt Tim Höhn das Blasinstrument Euphonium im Orchester. Wie verträgt sich dieses Engagement mit dem Schichtbetrieb? «Passt», sagt er. Zwar käme hin und wieder mal eine Spätschicht dazwischen, «aber in der Regel sitze ich donnerstagabends in der Probe».

Berufsbildnerin Carmela Steiner wiederum zieht es im Winter schon mal unter der Woche auf die Skipiste. «Dann geniesse ich dort die Ruhe und arbeite am Wochenende – wer kann das schon?» Steiner, die sich nach einer KV-Lehre bei der SBB für den Beruf Zugverkehrsleiterin entschied – «die Schnupperlehrewar mein Glückstreffer!» –, schätzt diese Flexibilität sehr. «Ich arbeite am liebsten nachts, weil wir dann die Gleis-Baustellen betreuen, eine spannende Aufgabe.» Ein sinnvoller Job sei es für sie aber rund um die Uhr. «In der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ist vieles im Wandel, das bringt auch für uns immer mal Veränderungen mit sich. Aber wir tragen dazu bei, dass Menschen und Güter wohlbehalten ankommen – das zu wissen, macht Freude.»