Berufslehre heute: Steinmetz

Ognjen Ristic hatte schon immer Freude an «alten Sachen». Jetzt verhilft er Natursteinen an historischen Gebäuden zu neuem Glanz. Sein Berufsbildner Wolfgang Görner ist überzeugt, dass der Beruf des Steinmetzen in Zukunft noch vielfältiger wird.

Text: Andreas Minder Foto: Sabina Bobst

Vor dem Betriebsgebäude der Frehner Görner AG beim Bahnhof Wülflingen stehen zwei riesige Löwen. Sie fletschen die Zähne und bewachen ein Zürcher Wappen. Schaut man sich die Ehrfurcht gebietenden Skulpturen etwas genauer an, fällt auf, dass der Zahn der Zeit an ihnen nagt. Der Sandstein erodiert und bröckelt, Algen und Moos machen sich breit. Das ist der Grund, weshalb die Wappentiere nicht mehr an ihrem angestammten Platz auf dem Dach der Alten Kaserne in Zürich thronen. Als sie vor vier Jahren untersucht wurden, stellte sich heraus, dass Teile abbrechen und Menschen gefährden könnten.

Ihr weiteres Schicksal ist noch ungewiss, doch stehen sie nun an einem Ort, an dem sie fachgerecht konserviert oder kopiert werden könnten. Ein wichtiges Standbein der Frehner Görner AG ist das Restaurieren und Instandsetzen von Bauwerken aus Naturstein. Deshalb macht Ognjen Ristic, hier von allen Ogi genannt, die Lehre zum Steinmetzen, Fachrichtung Bau und Renovation. «Ich hatte immer Freude an alten Sachen, auch weil sie Teil der Geschichte sind», sagt er. Dank dieser Interessen stiess er im Berufswahlunterricht auf den Beruf Steinmetz, den er vorher gar nicht gekannt hatte.

Geschäftsführer Wolfgang Görner freut sich darüber, dass der junge Mann sich für seine Firma entschieden hat. Denn: «Es ist schwierig, Nachwuchs zu finden.» Als Kleinstberuf, in dem jährlich lediglich um die 20 Lernende abschlössen, sei der Steinmetz wenig bekannt. Die Branche hat kürzlich darauf reagiert, indem sie die Grundbildung radikal umgestaltet hat. Die vier «Steinberufe» Marmoristin, Steinbildhauer, Steinmetzin und Steinwerker wurden zusammengelegt. Die vier Fachrichtungen (siehe Kasten) reflektieren die alte Berufsstruktur.

Ein Mann arbeitet an einer Steinbüste und wird von einer zweiten Person dabei unterstützt.
Ognjen Ristic macht die Lehre zum Steinmetzen mit Fachrichtung Bau und Renovation bei der Frehner Görner AG. Quelle: Sabina Bobst

Nie monoton

In der Fachrichtung Bau und Renovation, für die sich Ognjen Ristic entschieden hat, lernt er, Treppen, Gesimse, Fenstereinfassungen und Pfeiler zu hauen und sie an oder in Gebäuden anzubringen. Zu den zentralen Kompetenzen gehören auch das Reinigen, Konservieren, Ausbessern und Schützen von Naturstein an historischen Gebäuden.

In seinem ersten Lehrjahr durfte Ristic schon an prominenten Orten Hand anlegen. Etwa im Zürcher Grossmünster oder in der evangelischen Kirche in Steckborn aus dem 18. Jahrhundert. Seine Bilanz nach dem ersten Lehrjahr ist positiv: «Es kommt immer wieder etwas anderes, es ist nie monoton.»

Was er auch erfahren hat: Der Beruf ist zuweilen streng. Man arbeitet mit schwerem Material, oft lärmt und staubt es tüchtig. Geht ein Steinmetz mit Knüpfel und Meissel oder dem Presslufthammer zu Werk, kommt es vor, dass er den ganzen Tag Maske und Gehörschutz trägt. «Man muss Lust haben auf körperliche Belastung», sagt Wolfgang Görner dazu. Eine andere Eigenschaft: Schwindelfreiheit. Sonst ist die Arbeit auf dem Gerüst am hohen Kirchturm nicht machbar. Für «Ogi» war das kein Problem. Im Gegenteil: «Ich habe mich immer darauf gefreut. Die Aussicht ist spektakulär.»

Computer und Handarbeit

Der Beruf werde sich in den nächsten Jahren verändern, sagt Wolfgang Görner. «CNC-Fräsen werden die Produktion entscheidend verändern.» Diese Maschinen fräsen die Formen in den Stein, die vorher am Computer eingegeben wurden.

Damit werde der Beruf noch vielfältiger und auch für computeraffine Jugendliche attraktiver, hofft Görner. Er gibt allerdings zu bedenken, dass die traditionellen Fähigkeiten wichtig bleiben. «Man muss immer noch richtig ausmessen können. Ein Mensch, der kein räumliches Vorstellungsvermögen hat, wird auch mit einer CNC-Fräse Mühe haben.»

Görner sieht einen weiteren Grund, das klassische Handwerk nicht zu vernachlässigen: «Ob ein Stein von Hand oder mit einer CNC-Fräse bearbeitet wurde, sieht man. Handwerk macht ein Gebäude lebendiger. Darum schaue ich, dass Ogi das Handwerk wirklich lernt.» So wie es einst sein Lehrmeister Gregor Frehner getan hat, der Gründer der Firma, die Görner heute führt.

Wohin die Berufslaufbahn Ognjen Ristic führen wird, ist offen. Vorerst hat er noch drei Lehrjahre, um sich das Rüstzeug des Steinmetzen zu holen. Wer weiss, vielleicht wird er es sein, der den zwei lädierten Züri-Leuen vom Dach der alten Kaserne dereinst zu neuem Glanz verhelfen wird.