«Viele Unternehmen erkannten den Ernst der Lage und reagierten rasch»

Die Zürcher Wirtschaft war von den steigenden Energiepreisen weniger stark betroffen, als anfänglich vermutet. Durch die angespannte Lage stieg in den Unternehmen aber das Bewusstsein für den Kostenfaktor Energie und die Notwendigkeit einer durchdachten Spar- und Beschaffungsstrategie. Momentan blicken die Unternehmen wieder optimistischer auf ihre Geschäftsaussichten. Für eine allgemeine Entwarnung ist es gemäss Fabian Schnell, Leiter Stab im Amt für Wirtschaft und Arbeit und Kantonaler Delegierter für Wirtschaftliche Landesversorgung, allerdings noch zu früh. Denn: In den nächsten Wintern drohen ähnliche Szenarien.

Portraitbild von Fabian Schnell. Er trägt eine Brille, ein hellblaues Hemd und ein dunkles Jacket.
Wegen der unsicheren Aussicht für die Energieversorgung in den kommenden Wintern gibt Fabian Schnell, Kantonaler Delegierter für Wirtschaftliche Landesversorgung, noch keine Entwarnung für die Wirtschaftslage.

Als zum Ende des dritten Quartals 2022 die Energiepreise in die Höhe schnellten und eine Mangellage drohte, führte das weltweit zu grossen wirtschaftlichen Unsicherheiten. Wie haben die Zürcher Unternehmen reagiert?

Die Unsicherheit war tatsächlich gross. Wir haben aus diesem Grund eine breit angelegte Umfrage bei Zürcher Unternehmen durchgeführt, um das Ausmass der Betroffenheit abschätzen zu können. Es zeigte sich, dass sich viele Unternehmen um die steigenden Kosten sorgten, insbesondere natürlich jene, die ihre Stromlieferverträge erneuern mussten. Unklar war vor allem, wie lange die Preishausse dauern würde. Erfreulicherweise haben viele Unternehmen rasch den Ernst der Lage erkannt und zeitnah reagiert. Gemäss unserer Umfrage hatten im Kanton Zürich 61 Prozent der Unternehmen bereits Ende Sommer, Anfang Herbst Massnahmen ergriffen, um die Auswirkungen des Preisanstiegs abzufedern.

Welche Massnahmen haben die Zürcher Unternehmen ergriffen?

Die meisten Unternehmen haben Stromeinsparungen vorgenommen, indem sie die Effizienz in der Produktion steigerten. Knapp die Hälfte der Firmen, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben, erhöhte zudem die Preise und überwälzte die steigenden Kosten dadurch zum Teil auf die Konsumentinnen und Konsumenten. Weitere 15 Prozent haben auf Investitionen verzichtet. Zu drastischen Massnahmen wie der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen mussten nur zwei Umfrageteilnehmer greifen.

Gab es Unternehmen im Kanton, die aufgrund der hohen Stromkosten substanzielle Probleme hatten oder sogar Konkurs gingen?

10 Prozent der Unternehmen sagten uns im Rahmen der Umfrage, dass die steigenden Strompreise zu substanziellen Problemen führen würden, wobei nur in zwei Fällen von effektiven Stilllegungen berichtet wurde. Die grosse Mehrheit stand demgegenüber nicht vor tiefgreifenden Schwierigkeiten. Allerdings ist es schwierig zu eruieren, inwiefern die Energiekosten alleine ursächlich für die substanziellen Schwierigkeiten waren oder einfach als letzter Faktor in einer bereits sehr schwierigen Situation hinzukamen. Das alles zeigt: Die Betroffenheit der Zürcher Unternehmen durch die steigenden Preise war letztlich geringer, als anfangs vielleicht vermutet wurde.
 

Nur einem geringen Anteil der befragten Unternehmen drohten substanzielle Probleme durch die hohen Energiepreise. Quelle: Fachstelle Volkswirtschaft, Amt für Wirtschaft und Arbeit Kanton Zürich

Über den Winter haben verschiedene Gespräche zur Sicherung der Energieversorgung stattgefunden. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus für die Zürcher Wirtschaft?

Ausser in den energieintensiven Branchen haben viele Unternehmen den Energiekosten und der Energiebeschaffungsstrategie in der Vergangenheit ehrlicherweise nicht allzu viel Aufmerksamkeit gewidmet. Der Anteil an den gesamten Betriebskosten war einfach zu gering, als dass es sich zum Beispiel für ein KMU gelohnt hätte, das entsprechende Know-how intern aufzubauen. Das Bewusstsein für diesen Kostenfaktor und für die Notwendigkeit einer durchdachten Beschaffungsstrategie ist nun deutlich gestiegen. Auch haben viele Unternehmen gemerkt, wieviel ungenutztes Energiesparpotential in ihren Gebäuden und Prozessen steckt und wie sie sich noch besser auf Blackouts oder verordnete Stromnetzabschaltungen vorbereiten können.

Der befürchtete Energiemangel traf nicht ein und die Energiepreise sinken wieder. Was für Auswirkungen hat das auf die Wirtschaftslage?

Die Entspannung auf dem Energiemarkt hat die Wirtschaft wieder etwas beflügelt. Die Geschäftsaussichten der Zürcher Unternehmen sind zu Beginn dieses Jahres deutlich gestiegen. Allerdings gehen wir immer noch von einem tieferen Wirtschaftswachstum aus als letztes Jahr, nicht zuletzt aufgrund der restriktiveren Geldpolitik. Zudem dürfen wir auch nicht vergessen, dass wir im nächsten Winter wieder vor ähnlichen Problemen stehen könnten. Was die Wirtschaftslage betrifft, ist es also noch zu früh für Entwarnung.

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