Wirtschaft und Schule profitieren voneinander

Das Weiterbildungs-Angebot «Leaders in Exchange» bringt Führungskräfte aus Schule und Privatwirtschaft zusammen. Dabei beschäftigen sie sich mit vielen Fragen rund um ihren Führungsalltag. Der Perspektivenwechsel kann nicht nur befruchtend, sondern auch beruhigend wirken.

Text: Üsé Meyer     Foto: Sabina Bobst

Fahrrad, Pferdefuhrwerk, Gleit- oder Fallschirm? Die Frage scheint Andrea Herrmann und Armin Dickopf leicht zu irritieren. Kein Wunder: Die beiden sollten schliesslich Auskunft über ihre Erfahrungen mit dem Weiterbildungs-Angebot «Leaders in Exchange» (LiE) geben – und nicht zu Fahrzeugen oder Freizeitaktivitäten. Andrea Herrmann ist Schulleiterin der Sekundarschule Halden der Gemeinde Opfikon. Armin Dickopf ist Leiter Pricing & Client Data Management bei der Credit Suisse in Zürich. Beide haben als Führungspersonen rund 50 bis 60 Mitarbeitende in ihren Teams. Und die beiden bildeten im Rahmen des Projekts LiE ein Tandem – ein Zweierteam, das sich während der achtmonatigen Laufzeit des Programms über Führungsfragen und die Weiterentwicklung der eigenen Organisation austauschte.

Tandem – damit kann ein Fahrrad gemeint sein oder ein Fuhrwerk mit zwei hintereinander angespannten Pferden, der Begriff wird aber ebenso für einen Gleitschirmflug oder Fallschirmsprung zu zweit verwendet. Wie hat sich für Herrmann und Dickopf die Zusammenarbeit im Tandem angefühlt? Die Irritation weicht jetzt einem Lachen. «Irgendwie hatte es von allem etwas», sagen sie unisono. «Die Beschäftigung mit dem Schulbetrieb beispielsweise – den ich nun doch schon länger hinter mir habe – hat sich für mich etwas weniger gemächlich, also nicht wie ein Gleitschirmflug angefühlt», meint Dickopf.
 

Eine Frau und ein Mann sitzen auf der Treppe eines Schulhauses .
Die Probleme und Lösungsansätze von Führungspersonen in Schule und Privatwirtschaft sind gar nicht so unterschiedlich wie Andrea Herrmann und Armin Dickopf zunächst dachten.

Sich im Gegenüber spiegeln

In der heutigen Form wurde das Weiterbildungsangebot LiE erstmals 2020 durchgeführt. Die Pädagogische Hochschule Zürich (PHZH) hatte zuvor bereits ein ähnliches Modul im Angebot. Auch in Deutschland gab es vergleichbare Projekte. «Wir haben dieses Programm nochmals neu erfunden, indem es qualitativ gezielt aufgewertet wurde», erklärt Moria Zürrer, Geschäftsleitungsmitglied des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter Zürich (VSLZH). Zusammen mit Roger Wehrli zeichnet sie für das neue Angebot verantwortlich. Wehrli ist stellvertretender Leiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung bei Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Dass hier der Bildungsbereich sowie die Wirtschaft zusammenspannen, kommt nicht von ungefähr und ist das erklärte Ziel: Das Angebot LiE will Persönlichkeiten aus dem schulischen und dem privatwirtschaftlichen Umfeld im bilateralen Austausch zusammenbringen, damit diese ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu Führungsfragen teilen und weiterentwickeln können. Dabei soll eruiert werden, wie Führung in Schule und Wirtschaft funktioniert, wo es Berührungspunkte gibt und was beide Seiten voneinander handlungsorientiert lernen können.

«Auch Führungspersonen haben nie ausgelernt und sollten sich stetig weiterentwickeln», sagt Moria Zürrer. Bei «Leaders in Exchange» gehe es darum, sich im Gegenüber zu spiegeln, um den eigenen Führungsalltag besser reflektieren zu können, ergänzt Roger Wehrli. Sehr wertvoll sei dabei, sich mit der Kritik des Tandem-Partners, der Tandem-Partnerin auseinanderzusetzen – gerade, weil diese Person aus einem völlig andersartigen Bereich komme und deshalb oft eine andere Sichtweise einbringen könne. Die drei Arbeitsbereiche, die in den Tandems während der letzten Durchführungen am häufigsten thematisiert wurden, waren Personalführung, Personalentwicklung und die Führungsrolle respektive Leitungsfunktion.

Gemeinsame Interessen finden

Das Weiterbildungs-Angebot LiE dauert jeweils acht Monate zwischen Herbst und Frühsommer. Es besteht aus einer Anfangs- und einer Schlussveranstaltung sowie einem Schulungsabend für alle Teilnehmenden. Daneben treffen sich die Tandems regelmässig zu zweit. «Ein monatliches Meeting für den Austausch wäre toll», sagt Zürrer. Sie schätzt den Aufwand insgesamt auf rund fünf bis sechs Arbeitstage. Zum festen Bestandteil des Programms gehört auch das gegenseitige Hospitieren im Berufsalltag. Das Feedback zum Angebot war gemäss Wehrli bisher äusserst erfreulich: Über 80 Prozent hätten es als «gut» oder «sehr gut» beurteilt. Als herausragende Stärke bezeichneten alle das «Peer to Peer Learning». In diesem Fall also das Lernen von Experte zu Expertin.

Kernstück von LiE und hauptverantwortlich dafür, dass es so gut funktioniert, ist der Aspekt, dass man für alle den passenden Tandem-Partner oder die passende Tandem-Partnerin findet. Passend heisst in diesem Fall: Personen mit ähnlichen Interessen und Fragestellungen. Hierfür füllen alle Teilnehmenden vorgängig einen Fragebogen aus. Dort geben sie unter anderem an, bei welchen Führungsthemen sie ihre Schwerpunkte setzen möchten. «Analog zu Dating-Plattformen gibt es jeweils einen sogenannten Match», erklärt Moria Zürrer.
 

Ein Mann und eine Frau stehen auf der Treppe eines Schulhauses, beide mit einem PC in der Hand.
Die Chemie zwischen Schulleiterin Andrea Herrmann und Bankmanager Armin Dickopf stimmte von Anfang an.

Weiterbildung für erfahrene Führungspersonen

Die Weiterbildung «Leaders in Exchange» wird vom VSLZH und von Economiesuisse in Zusammenarbeit mit dem Verein Young Enterprise Switzerland angeboten. Sie richtet sich an erfahrene Führungspersonen aus Schule und Privatwirtschaft. Das Programm ist nicht nur auf den Kanton Zürich beschränkt, Teilnehmende aus anderen Deutschschweizer Kantonen sind ebenfalls willkommen. Die Teilnahmegebühr beträgt 450 Franken (für Mitglieder der Organisatoren 350 Franken). Der nächste Bildungsgang findet von Oktober 2023 bis Juni 2024 statt.