So schmeckt die Uni

Die Studienwahl ist für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten eine wegweisende Entscheidung und oftmals alles andere als einfach. Dozentinnen und Dozenten sowie Studierende wollen ihnen mit kreativen Angeboten weiterhelfen.

Text: Sabina Galbiati, Fotos: Reto Schlatter

Wie begeistern wir Gymnasiastinnen und Gymnasiasten für das Französischstudium? Wie können wir ihnen die Vielfalt eines naturwissenschaftlichen Studiums näherbringen? Und wie sieht der Alltag an der Universität aus? Dozierende und Studierende an den verschiedenen Fakultäten und Seminaren der Universität Zürich (UZH) haben ein vielfältiges Schnupperangebot für Schülerinnen und Schüler zusammengestellt. Das geht weit über die gängigen Studieninformationstage hinaus. Weil das Angebot aber über sieben Fakultäten verteilt und nicht immer einfach zu finden ist, hat die UZH Ende 2021 die Onlineplattform «Fish ’n’ Grips» lanciert.

Der Name ist Programm: Ähnlich wie eine Speisekarte listet die Seite sämtliche Angebote aus allen Fachbereichen auf – von Anthropologie über Physik bis zu Zoologie. Die Auswahl ist vielfältig. Zu finden sind Workshops für Schulklassen, aber auch Schnupperstudien für einzelne Schülerinnen und Schüler oder Unterrichtsmaterialien und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen. Die Seite wird laufend erweitert. Ein Newsletter informiert über Anlässe, gibt Einblick in Angebote und stellt Dozierende der Fachrichtungen vor.

Französischstudium entdecken

Ein neues Angebot, das Mittelschullehrerinnen und -lehrer auf «Fish ’n’ Grips» finden, stammt aus dem Romanischen Seminar im Zürcher Stadtzentrum. Ursula Bähler, Professorin für Französische Literaturwissenschaft, hat gemeinsam mit Studierenden und Doktorierenden das Projekt «Dire le monde» auf die Beine gestellt. Ihr Ziel: Die Schülerinnen und Schüler sollen das Französischstudium entdecken, und zwar so, wie es wirklich ist. «Die Lernenden finden Französisch oft schwierig und denken, im Studium gehe es darum, die Sprache perfekt zu lernen», sagt Bähler. Aber eigentlich lerne man die Sprache ganz automatisch mit, während man sich mit anderen Themen auseinandersetze.

Das Projekt enthält verschiedene Angebote, die Bähler zusammen mit den Doktorandinnen Ariane de Testa und Sophie Hochuli, Student Omar Itani und Studentin Marigo Qoraj durchführt. «Interessierte Lehrpersonen können sich bei uns melden, und wir stellen entweder ein massgeschneidertes Programm zusammen oder führen unseren eigenen Workshop durch, der rund zwei Lektionen dauert», sagt Bähler. Einen Testlauf gab es mit Maturaklassen an der Kantonsschule Zürcher Unterland. Nach einem Inputreferat von Ursula Bähler konnten die jungen Leute drei Ateliers im Turnus besuchen.

Professorin Ursula Bähler steht mit ihrem Team (Sophie Hochuli, Marigo Qoraj und Omar Itani) zwischen Bücherregalen in der Bibliothek des Romanischen Seminars.
Professorin Ursula Bähler (vorne rechts) will mit ihrem Team (v. l. n. r. Sophie Hochuli, Marigo Qoraj und Omar Itani) das Interesse der Mittelschülerinnen und -schüler am Französischstudium wecken.

Omar Itani schaute mit ihnen die Sprachgeschichte von englischen Wörtern wie «Tennis» an, die ursprünglich aus dem Französisch stammen. Sophie Hochuli und Ariane de Testa brachten den Maturanden den Postkolonialismus näher und stellten die Verbindung zu «Black Lives Matter» her. Marigo Qoraj thematisierte die Dreyfus-Affäre und den Antisemitismus. «Die Schülerinnen und Schüler stellten viele Fragen und fanden die Ateliers sehr spannend, weil wir Französisch mit Kulturgeschichte und aktuellen politischen Themen verknüpft haben», sagt Hochuli. «Die Ateliers haben wir direkt aus Modulen erstellt, die wir selber besucht oder durchgeführt haben», erklärt sie. Bähler ergänzt: «Wenn Studierende den Schülerinnen und Schülern zeigen, was sie machen, gibt ihnen das einen direkten und konkreten Einblick in unseren Arbeitsalltag und macht ihnen bewusst, wie umfassend ein Französischstudium ist.»

Aktiv auf Instagram

Um näher bei den Lehrpersonen, vor allem aber den Schülerinnen und Schülern zu sein, hat die Gruppe einen Blog und einen Instagram-Account eingerichtet. Lehrpersonen finden auf dem Blog Unterrichtsmaterial zu unterschiedlichen Themen. Instagram ist mehr für die Studierenden, aber auch für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Inspiration und Vernetzung gedacht. «Mir macht die multimediale Arbeit viel Spass, und wenn wir so mehr Schülerinnen und Schüler erreichen können, ist das grossartig», sagt Studentin Marigo Qoraj, die den Account betreut.

Viele geisteswissenschaftliche Studiengänge stehen im Vergleich zu Wirtschaft und Rechtswissenschaft unter Druck, weil sie mit rückläufigen Studierendenzahlen zu kämpfen haben. «Umso mehr sollten wir den Kontakt zu den Gymnasien und insbesondere den Schülerinnen und Schülern pflegen», sagt Bähler.

Vielfältige Naturwissenschaften

Ortswechsel: Am Campus Irchel will Morana Mihaljević gemeinsam mit ihrem Team die Jugendlichen für die Naturwissenschaften begeistern. Mihaljević leitet das Science Lab UZH, das fächerübergreifende Forschungs- und Lernformate anbietet, und das Museum Science Pavilion UZH. Im Science Pavilion UZH stellen Forschende der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät in Ausstellungen ihre Forschungsprojekte vor. Zu sehen sind unter anderem Teile oder Prototypen von internationalen Kollaborationen wie mit dem CERN, die am Campus gebaut wurden. Lehrpersonen können Führungen buchen, das Museum ist zudem für die Öffentlichkeit zugänglich.

Das Science Lab UZH wiederum bietet Workshops an. Aktuell etwa «Biodiversität in Zeit und Raum», den Mihaljević als Paläontologin selbst durchführt. Dort lernt man, wie man Artenvielfalt in einem Gebiet messen kann. Die Workshops finden direkt am Campus Irchel statt. «Wir sprechen uns jeweils mit den Lehrpersonen ab und passen unsere Workshops auf das Alter und das Vorwissen der Klasse an», sagt Mihaljević. Das Thema tangiert immer mehrere Fachbereiche wie Biologie, Chemie, Informatik, aber auch Wirtschaft und Politik. «Uns ist es wichtig, verschiedene Fachgebiete zu verknüpfen, denn später an der Uni können die Studierenden beispielsweise Biologie und Physik oder Mathematik und Geografie als Studiengänge kombinieren», erklärt die Wissenschafterin. In den Workshops lernen die Schülerinnen und Schüler wissenschaftliche Forschungsmethoden kennen. «Oftmals sind sie überrascht, wenn es auf eine Frage keine absolut gültige Antwort gibt, sondern diese immer vom Kontext abhängig ist», sagt Mihaljević.

Biologin Morana Mihaljević steht in einem Labor am Campus Irchel. Im Vordergrund sind ein Mikroskop und ein Molekülmodell zu sehen.
Biologin Morana Mihaljević leitet das Science Lab UZH, das Forschungs- und Lernformate anbietet, und das Museum Science Pavilion UZH. Sie versucht die Jugendlichen für die Naturwissenschaften zu begeistern.

Studienalltag erleben

Dass die Workshops vor Ort am Campus Irchel stattfinden, hat einen grossen Vorteil: «Für die Lernenden ist es extrem spannend, einen Vorgeschmack auf die Uni zu bekommen und unseren Alltag direkt vor Ort zu erleben», sagt Mihaljević. Den Campus, die Bibliothek und die Labore zu sehen und gemeinsam in der Unimensa essen zu gehen, macht den Studienalltag für die Lernenden greifbarer. «Sie bewegen sich plötzlich zwischen Studierenden, die nur zwei, drei Jahre älter sind und gar nicht so viel anders als sie selbst», erzählt Mihaljević. Es bleibt auch Zeit für Gespräche. Besonders freue sie sich immer über die Fragen der Schülerinnen, wenn es etwa darum gehe, wie sie ihren Beruf mit ihrem persönlichen Leben unter einen Hut bringe. «Ich erkläre ihnen dann, dass es eben nicht mehr nur den einen geradlinigen Weg gibt, sondern viele verschiedene Möglichkeiten, wie man sein Berufsleben gestalten kann.»

Die Dozentinnen und Dozenten finden die Plattform «Fish ’n’ Grips» extrem wertvoll. Sie vereinfacht es den Lehrpersonen sowie den Schülerinnen und Schülern, Angebote zu entdecken, die sie interessieren. So finden sie online zum Beispiel Führungen und Workshops für Schulklassen im Zoologischen Museum, die Kurse des Junior Euler Society Matheclubs oder das Praktikum am Tierspital Zürich. Ein weiterer Vorteil ist, dass auch ausgefallene Angebote sichtbarer werden, wie etwa die selbstgeführte Smartphone-Exkursion «Wasser in der Stadt Zürich», die vom Geografischen Institut angeboten wird.

Nischen sichtbar machen

Für Nischenstudiengänge ist «Fish ’n’ Grips» eine Möglichkeit, wieder präsenter zu werden. Auch die Theologische Fakultät findet man auf der digitalen «Speisekarte». Angeboten werden Workshops, bei denen Studierende der Theologischen Fakultät in die Schulklasse kommen und einen Einblick in ihr Studium geben. Ausserdem können die Schülerinnen und Schüler während vier Tagen in die Welt der griechischen Antike und in die griechische Sprache eintauchen. Dafür müssen sie nur den Ferienkurs «Griechisch» des Zentrums Altertumswissenschaften Zürich besuchen. Auf «Fish ’n’ Grips» ist also fast für jeden Geschmack und jedes Interesse ein spannendes Angebot dabei.

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