Viele Projekte eng getaktet

Der Kanton Zürich setzt den grossen Spaten an: Mehrere neue Schulhäuser und Provisorien für Mittelschulen werden im Kanton Zürich in den nächsten gut zehn Jahren entstehen. Grund dafür sind die rasch steigenden Schülerzahlen. Ein Überblick.

Text: Jacqueline Olivier, Visualisierung: VPA Architektur

Uetikon am See, Wädenswil, Zürich Aussersihl, Knonaueramt, Glattal – diese fünf Orte haben eines gemeinsam: Hier sind derzeit neue Mittelschulstandorte in Planung. Zwei davon sind bereits in Betrieb. Die Kantonsschule Uetikon am See eröffnete im Sommer 2018, zwei Jahre später ging die Kantonsschule Zimmerberg in Au (Wädenswil) an den Start. Beide sind vorerst in einem Provisorium untergebracht; bis ihre definitiven Schulhäuser bereitstehen, dürften die 2030er-Jahre begonnen haben. Die Schulen in Aussersihl, im Knonaueramt und im Glattal hingegen existieren erst auf dem Papier.

Doch der Reihe nach. Die Bevölkerung im Kanton Zürich wächst und wächst. Die vielen Neuzuzüger seien vor allem der Attraktivität des Kantons als Wohn- und Arbeitsort geschuldet, erklärt Wolfgang Annighöfer, Leiter Bauten im Generalsekretariat der Bildungsdirektion. Und sie stammten weniger aus dem Ausland als vielmehr aus der übrigen Schweiz. Kontinuierlich nach oben zeigt auch die Kurve der Geburten. Diese Entwicklungen machen sich immer deutlicher bei den Schülerzahlen bemerkbar. In den nächsten 25 Jahren benötigen laut Prognosen des Statistischen Amts und der Bildungsstatistik allein die Zürcher Mittelschulen rund 6000 zusätzliche Plätze für Schülerinnen und Schüler. Diverse Schulhäuser platzen aber bereits jetzt aus allen Nähten. «Vor allem auf die Schulen in der Stadt Zürich ist der Druck gross», sagt Wolfgang Annighöfer.

Dies zeichnete sich bereits vor rund zehn Jahren ab. Zur Entlastung machte man sich damals an die Planung von zwei neuen Schulen – je eine am linken und am rechten Ufer des Zürichsees. Sie sollten möglichst an den Gestaden der oberen Seehälfte entstehen, um die Schülerströme von der Stadt wegzulenken. Als positive Nebenwirkung wurden damit auch weniger volle Pendlerzüge in den Stosszeiten angestrebt.

Siegerprojekt ist erkoren

An der Kantonsschule Uetikon am See ist mittlerweile Halbzeit im vierten Schuljahr. Ab August 2018 begann sich das Provisorium in Form einer Pavillonanlage im Dorfkern zu füllen. Ausgerichtet ist es auf 550 Schülerinnen und Schüler, diese Zahl wird im kommenden Schuljahr erreicht. Am definitiven Standort sollen dann 1500 Jugendliche ein und aus gehen. Er wird sich am See, auf dem Areal der einstigen «Chemie Uetikon», befinden. Vor Kurzem konnte der Architekturwettbewerb abgeschlossen und das Siegerprojekt erkoren werden. Gebaut wird allerdings nicht auf der grünen Wiese, oder nur zum Teil. Einige der alten Industriegebäude auf dem Areal befinden sich unter Denkmalschutz und müssen bestehen bleiben. Die neue Kantonsschule wird deshalb teilweise in die historischen Gemäuer eingebaut, wie Wolfgang Annighöfer verrät. Daneben werden in einem Neubau die Sporthallen und die Räume für die Naturwissenschaften untergebracht. Auf das Gelände an schönster Lage direkt am See wird auch das Berufsbildungszentrum Zürichsee aus Stäfa umziehen, für dieses wird ebenfalls neu gebaut. Mittel- und Berufsfachschule gehen in Uetikon also eine Ko-Existenz ein.

Was nun ansteht, ist die Bewilligung des kantonalen Gestaltungsplans durch die Baudirektion. Für diesen idyllischen, aber auch delikaten Ort sei dieser besonders schwierig zu erarbeiten gewesen, sagt Wolfgang Annighöfer. Nicht nur wegen der denkmalgeschützten Gebäude, sondern ebenso wegen des Natur- und Gewässerschutzes sowie privater Anspruchsgruppen. Zudem muss der Kreditantrag vom Kantonsrat gutgeheissen werden. Wolfgang Annighöfer schätzt, dass dies alles rund drei Jahre in Anspruch nehmen dürfte, sodass mit einem Baubeginn im Jahr 2026 zu rechnen wäre.

Innenansicht des geplanten Neubaus der Kantonsschule Uetikon am See.
Das Architektur-Siegerprojekt für den definitiven Standort der Kantonsschule Uetikon am See und das Berufsbildungszentrum, das sich zurzeit noch in Stäfa befindet, setzt auf Leichtigkeit und viel Holz.

Gut unterwegs in Au

Auf der anderen Seeseite steckt die Kantonsschule Zimmerberg (KZI) in noch etwas kleineren Kinderschuhen. Sie schreibt erst das zweite Jahr ihrer Geschichte und zählt Stand heute 230 Schülerinnen und Schüler. Auch hier können es bis 550 werden, im Schuljahr 2024/25 wird es so weit sein. Und auch sie wurde vorderhand in einem Provisorium eingerichtet – in einem Gebäude in Au (Wädenswil) am Rande der Industriezone weit oberhalb des Dorfes. Zuletzt war hier das Unternehmen von Roll eingemietet. Wie die Kanti Uetikon wird auch die KZI in einigen Jahren in ein definitives Schulhaus unten am See umziehen, wo Platz sein soll für 1200 Schüler. Der Architekturwettbewerb wird dieses Jahr gestartet, ein rechtskräftiger Gestaltungsplan liegt bereits vor. Was die Sache erleichtere, wie Wolfgang Annighöfer meint. Es ist deshalb gut möglich, dass die neuen Schulhäuser hüben wie drüben zur gleichen Zeit bezugsbereit sein könnten, nämlich zu Beginn des Schuljahrs 2030/31. Jedenfalls ist dies das angestrebte Ziel.

Schon als mit der Planung dieser beiden Schulen begonnen wurde, hatte man zusätzlich einen dritten Standort für einen Ausbau im Auge: die Kantonsschule Limmattal (KSL) in Urdorf. Hier gehen momentan 750 Jugendliche zur Schule, bald schon sollen es 1100 sein. Dazu erhält die KSL bis 2024/25 einen Erweiterungsbau, vergangenen Sommer sind die Baumaschinen aufgefahren. Mehr Platz in absehbarer Zeit erhalten sodann das Mathematisch- Naturwissenschaftliche Gymnasium und das Realgymnasium Rämibühl in Zürich. Dies wird möglich, weil das Literargymnasium Rämibühl in das Schulhaus Riesbach umziehen wird. Zuvor müssen aber die Kantonsschule für Erwachsene und die EB Zürich dort ausziehen, sie werden voraussichtlich 2026/27 in die einstige Militärkaserne aus dem Jahr 1876 zügeln.

Drei weitere Provisorien

Alle diese Vorhaben sind unterschiedlich weit gediehen, aber bereits in der Realisierungsphase. Doch das Ende der Fahnenstange sind sie nicht. In den letzten Jahren wurden die Prognosen betreffend Schülerzahlen laufend nach oben korrigiert, wie Wolfgang Annighöfer mit einem Seufzer feststellt. Deshalb sind bereits die nächsten Bauprojekte in Planung. So soll an der Hohlstrasse in Zürich Aussersihl bis 2024/25 ein Provisorium der Kantonsschule Wiedikon entstehen – als dritter Standort einer Fachmittelschule, die bis dato nur die Kantonsschulen Zürich Nord und Rychenberg (Winterthur) im Portfolio haben. In einem zweiten Schritt könnte auch hier ein definitiver Bau entstehen, sagt der Bauchef. «Vom Raum her wäre es möglich, aber das wird letztlich ein politischer Entscheid sein.»

Zwei weitere Provisorien sind im Knonaueramt und im Glattal vorgesehen. Ersteres soll in Affoltern erstellt, organisatorisch der Kantonsschule Limmattal angeschlossen und in etwas mehr als vier Jahren eröffnet werden. Für das Provisorium im Glattal soll es sogar schon zwei Jahre früher losgehen. Allerdings steht noch nicht fest, an welchem Standort und zu welcher Schule es vorerst gehören soll. Den Bau einer definitiven Schulanlage und damit auch einer neuen Kanti für 1500 Schülerinnen und Schüler hat man hier aber bereits auf dem Radar.

Chancen für den Unterricht

Weil die Schülerzahlen rasch weitersteigen und grössere Projekte dauern, zieht man kurzfristig einige provisorische Erweiterungen in Erwägung, um sich etwas Luft zu verschaffen. So wird eine Erweiterung des Provisoriums in Uetikon um zusätzliche Module abgeklärt. Eine provisorische Sporthalle ist auf jeden Fall bereits in Vorbereitung. Auch für die Kantonsschule Wiedikon sucht man nach einer Möglichkeit, das Platzangebot mit einigen Containern zu vergrössern, das Gleiche gilt für die Kantonsschule Uster.

Das Programm für den Ausbau des Schulraums ist also dicht gedrängt. Derzeit sind diverse Machbarkeitsstudien im Gang. Für einige Schulen würden sich mit der Realisierung der Projekte die Einzugsgebiete teilweise verschieben, sagt Wolfgang Annighöfer, namentlich für jene in der Stadt Zürich. Mit weniger Schülern muss aber sicher keine rechnen, im Gegenteil. Die Neubauten wiederum bieten Chancen, veränderten Lernformen Rechnung zu tragen. In Uetikon am See und in Wädenswil beispielsweise wird ein Drittel weniger Klassenzimmer zur Verfügung stehen als an Mittelschulen bisher üblich. Stattdessen sollen Flächen für individuelles Lernen bereitstehen – etwa Atelierräume oder Nischen auf den Etagen. Wie genau solche Lösungen aussehen sollen, wird zusammen mit den Schulleitungen jeweils für ihre Schule individuell erörtert.

Diverse Sanierungen in den kommenden Jahren

Im Kanton Zürich werden in den kommenden Jahren nicht nur neue Schulen und Provisorien geplant und gebaut, etliche der bestehenden Mittelschulen bedürfen auch einer Sanierung. Diesbezüglich hat sich in den vergangenen Jahren bereits einiges getan: Die erste grosse Sanierung betraf vor zwölf Jahren die Kantonsschule Hohe Promenade. In Winterthur konnte die Kantonsschule Büelrain 2019 ihren Neubau beziehen, der die fast 50-jährigen Baracken neben dem Hauptgebäude ersetzt, an der Kantonsschule Im Lee stehen die Sanierungsarbeiten vor dem Abschluss. Der erneuerte Spezialtrakt der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon wird nächstes Jahr eröffnet. Die Kantonsschule Zürcher Unterland in Bülach wird momentan punktuell saniert.

Als nächstes Grossprojekt steht nun die Totalsanierung mehrerer Schulen in der Stadt Zürich an. Um sie jeweils vorübergehend anderweitig unterbringen zu können, wird auf dem Gelände der Uni Irchel ein «Rochade-Provisorium» eingerichtet. Den Anfang macht dann die Kantonsschule Zürich Nord, die von 2024 bis 2027 saniert wird. In den nachfolgenden drei Jahren werden die Schulhäuser Rämibühl saniert und schliesslich während weiterer drei Jahre jene der Kantonsschulen Enge und Freudenberg. Bis 2033 sollen alle diese Arbeiten abgeschlossen sein. Die Sanierung der Kantonsschulen Stadelhofen und Hottingen wird in absehbarer Zeit ebenfalls fällig werden, wann genau, steht allerdings noch nicht fest. [jo]

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