«Gelöst haben wir das Problem erst, wenn es einen Impfstoff gibt»

Beat Gloor, stellvertretender Schularzt, erlebte die rasante Entwicklung rund um die Ausbreitung des Coronavirus an vorderster Front mit. Trotz widersprüchlicher wissenschaftlicher Daten war für ihn schnell klar, dass Schulschliessungen nur zusammen mit andern Massnahmen Sinn machen.

Beat Gloor ist in der Corona-Krise doppelt gefordert: Einerseits als Arzt mit eigener Praxis, andererseits als stellvertretender Schularzt. Seit mehreren Jahren vertritt er die Leiterin des Schulärztlichen Dienstes des Kantons Zürich, Ferdinanda Pini Züger, wenn diese in den Ferien ist. Der schulärztliche Dienst im Volksschulamt berät und unterstützt die Schulärztinnen und Schulärzte, die Schulen und Schulbehörden und die Eltern in den Themenbereichen Prävention und Gesundheitsförderung sowie bei gesundheitlichen Fragen im Zusammenhang mit der Schule.

Da Pini Züger abwesend war, erreichten Gloor erste Corona-Fragen von Schulleitungen während der Sportferien (9. bis 23. Februar). Sie lauteten beispielsweise: Was machen wir mit Kindern, die im Aostatal oder im Tirol in den Skiferien waren. Müssen die nach den Ferien zu Hause bleiben? Muss man sie testen? Auch wurde er gefragt, ob etwa eine 60-jährige Lehrperson mit Bluthochdruck nach den Ferien unterrichten soll.

Beat Gloor, stellvertretender Schularzt
Allgemeinmediziner Beat Gloor ist nicht nur als stellvertretender Schularzt gefordert, sondern auch in seiner Praxis in Turbenthal. Quelle: Foto von Marion Nitsch

Schwierige Informationsbeschaffung

Um Antworten darauf zu finden, musste Gloor viel Zeit für die Informationsbeschaffung aufwenden. «Denn zu diesem Zeitpunkt gabs noch nicht viele Infos.» Wichtig für ihn war deshalb der Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der nach einem Besuch in China von WHO-Experten veröffentlicht wurde. «Das war für mich als Arzt eine der ersten unabhängigen Quellen, aus der ich erfuhr, welche Rolle Kinder wahrscheinlich spielen, was das Virus für Schwangere bedeutet oder welches die Risikogruppen sind.»

Nach dem Ende der Sportferien änderte sich die Informationssituation rasant. Fast täglich gab es Pressekonferenzen, auf der Website des Bundes wurden laufend Infos und Studien für Fachleute publiziert und aktualisiert. «Da bestand dann die Herausforderung darin, à jour zu bleiben», erinnert sich Gloor.

In der Corona-Zeit war er der Verbindungsmann zwischen dem kantonsärztlichen Dienst und dem Volksschulamt. Der Kantonsarzt war fürs Tracen zuständig, das heisst, er meldete, wenn an einer Schule ein Kind betroffen war, und dann setzte sich Gloor mit der Schulleitung oder der Schulpflege in Verbindung und besprach das weitere Vorgehen.

In Gloors «Amtszeit» fiel Anfang März auch der Strategiewechsel vom Aufspüren und Isolieren hin zum Schutz der vulnerabeln Gruppen. Die Leute bekamen dadurch mehr Selbstverantwortung, und für die Schulen bedeutete die Anpassung der Quarantänebestimmungen beispielsweise, dass gesunde Kinder, die mit am Coronavirus infizierten Personen Kontakt hatten, aber keine Krankheitssymptome zeigten, nicht mehr unter Quarantäne gestellt wurden.

Beat Gloor, stellvertretender Schularzt.
Die rasch ändernde Informationslage zu Beginn der Krise war für Beat Gloor eine Herausforderung. Quelle: Foto von Marion Nitsch

Ruhe nach dem Sturm

Als im März auch das Thema von allfälligen Schulschliessungen aufkam, präsentierte sich Gloor aus naturwissenschaftlicher Sicht kein einheitliches Bild, ob Schulschliessungen etwas bringen. «Es gibt Punkte, die dafür sprechen und solche, die dagegen sprechen. Aber dort, wo es etwas gebracht hat, war es nicht eine isolierte Massnahme, sondern im Rahmen eines umfassenden Lockdowns.»

Als dann dieser Lockdown am Freitag, 13. März beschlossen wurde, folgte für den Schularzt - anders als für die Schulen - ein äusserst ruhiges Wochenende. Einerseits war die Schulärztin wieder zurück und die Stellvertretung somit beendet, andererseits waren die medizinischen Fragen betreffend Isolation, Quarantäne etc. beantwortet. Für zahlreiche Schulverantwortlichen stellte sich hingegen die neue Frage, womit man in Windeseile den Präsenzunterricht ersetzen kann.

Wichtig war für Gloor stets, einheitlich zu kommunizieren, um so ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen – trotz aller Gemeindeautonomie in der Volksschule. «Dies ist uns meiner Meinung nach gelungen.» Möglich geworden sei dies auch durch die gute Zusammenarbeit mit den Leuten in den Ämtern, insbesondere im Volksschulamt. «Es herrschten ein richtig guter Teamgeist und eine gegenseitige Wertschätzung.» Man habe grundsätzlich einen gangbaren Weg im Umgang mit dem Coronavirus gefunden. «Gelöst haben wir das Problem jedoch erst, wenn es einen Impfstoff gibt», ist der Mediziner überzeugt.

Text: Marianne Koller, Fotos: Marion Nitsch

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