«Es wurde eine Tür aufgestossen»

Digitaler Unterricht ist das Gebot der Stunde. Doch der Fernunterricht sei etwas ganz anderes als die Nutzung digitaler Medien für den regulären Unterricht, sagen André Dinter und Christian Flury, die beiden Verantwortlichen des 2019 gestarteten Digital Learning Hub Sek II.

Es musste schnell gehen, als am 13. März beschlossen wurde, alle Schulen zu schliessen. Gelehrt und gelernt sollte ja trotzdem werden. Für Mittel- und Berufsfachschulen setzte man dafür auf den digitalen Weg. Zum Glück habe man schon zwei Wochen zuvor gespürt, dass es soweit kommen könnte, und sich Gedanken gemacht, was für die Schulen in einer solchen Situation notwendig wäre, erzählt Christian Flury, Bereichsleiter Digitales Lernen an der EB Zürich. Er und André Dinter, Chemielehrer an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene (KME), sind für den Digital Learning Hub Sek II (DLH) zuständig, mit dem Lehrpersonen und Schulleitungen, die digitale Unterrichtsprojekte entwickeln möchten, unterstützt und miteinander vernetzt werden.

Gemeinsame Infrastruktur

Die beiden sind also mit dem Thema bestens vertraut, trotzdem sagt André Dinter: «Was wir uns im Zusammenhang mit dem Digital Learning Hub überlegt haben, kommt jetzt nur teilweise zum Tragen.» Denn bisher sei man stets vom sogenannten «Blended Learning», also dem Integrieren digitaler Lernsequenzen in den regulären Unterricht, ausgegangen. «Jetzt sehen wir uns plötzlich mit ‹Distance Learning› konfrontiert. Deshalb mussten auch wir uns zunächst völlig neu orientieren.» 

André Dinter und Christian Flury, die beiden Verantwortlichen des 2019 gestarteten Digital Learning Hub Sek II.
Über den Digital Learning Hub Sek II können André Dinter (links) und Christian Flury vom Bildungszentrum für Erwachsene Lehrpersonen von Mittel- und Berufsfachschulen bei Fragen zum virtuellen Unterricht unterstützen. Quelle: Foto von Marion Nitsch

Anfang März war gemeinsam mit Vertretern des Mittelschul- und Berufsbildungsamts eine Task Force ins Leben gerufen worden, die sich mit dem Szenario Fernunterricht auseinandersetzte. «Es wurde schnell klar, dass es vor allem darum gehen würde, jene Schulen zu unterstützen, die punkto Digitalisierung noch nicht sehr weit sind», sagt Christian Flury. Dafür konnte man auf schon Bestehendes zurückgreifen: Im Herbst 2019 war vom MBA eine Infrastruktur für die Schulen bereitgestellt worden, die mit «Teams» von Microsoft arbeiten wollten. In den ersten drei Wochen nach der Schulschliessung konnten mehrere neue Schulen aufgeschaltet werden. «Für Schulen, die in dieser Umgebung drin sind, können wir einen effizienten Support anbieten.» Dazu haben die beiden DLH-Verantwortlichen eine Website eingerichtet, auf der sie die wichtigsten technischen Anleitungen in Form kurzer Videos bereitstellten.

Abläufe exakt planen

Seit etwa drei Wochen sei man nun in der zweiten Phase, fährt Christian Flury fort. Diese betrifft zusätzlich zu den technischen Themen diverse didaktische Fragen in Bezug auf den virtuellen Unterricht. Auch dazu haben er und André Dinter eine Website mit Hilfestellungen zusammengestellt und vor Kurzem aktiviert. André Dinter erklärt: «Man kann zwar didaktische Methoden aus dem Unterricht ins Distance Learning mitnehmen, aber umsetzen muss man sie auf ganz neue Art und Weise.» Er stellt dies aktuell im eigenen Fernunterricht fest. «Mein Storyboard muss viel exakter und detaillierter sein als im Klassenzimmer, denn virtuell kann ich nicht einfach spontan die Methode wechseln und zum Beispiel vom Frontal- zum Gruppenunterricht übergehen.» Und Christian Flury ergänzt: «Man kann auch nicht den ganzen Tag per Videokonferenz unterrichten; das heisst, man muss die Lernenden zwischendurch loslassen. Wie man sie später wieder zurückholt, muss gut überlegt sein.»

André Dinter und Christian Flury, die beiden Verantwortlichen des 2019 gestarteten Digital Learning Hub Sek II.
Christian Flury (links) und André Dinter rechnen mit einer starken Beschleunigung der Digitalisierung der Schulen. Quelle: Foto von Marion Nitsch

Im echolosen Raum

Das Gefühl dafür, was bei dieser Art des Lehrens bei den Lernenden genau passiere, sei für sie als Lehrpersonen recht diffus, sind sich die beiden einig. Im Klassenzimmer finde vieles auf einer anderen, emotionalen Ebene statt, die nun fehle. Stattdessen befinde man sich in einem echolosen Raum, meint André Dinter. Christian Flury relativiert: «Man kann das Echo schon bekommen, aber man muss dies bewusst organisieren.» Wird die Erfahrung, die nun gemacht wird, dem digitalen Lernen in den Schulen Aufwind verleihen? «Davon bin ich überzeugt», sagt André Dinter. «Die Lehrpersonen nutzen nun die Mittel und suchen nach pädagogisch-didaktischen Lösungen. Und viele, die dem Thema bisher eher skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, merken: Es hat auch Vorteile.» «Es wurde eine Tür aufgestossen», stellt auch Christian Flury fest. «Ich weiss heute schon von Lehrpersonen, die auch nach der Krise vermehrt auf Fernunterricht setzen wollen. Auf jeden Fall wird dieser Ausnahmezustand zu einer starken Beschleunigung der Digitalisierung führen.»

Text: Jacqueline Olivier, Fotos: Marion Nitsch

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