«Viele Jugendliche würden gerne Einsätze in Pflegeberufen machen»

Das Jugendprojekt LIFT ist ein nationales Integrations- und Präventionsprogramm zwischen Volksschule und Berufsbildung. Der Verein Trivas hat die Umsetzung im Auftrag der Schulen im Bezirk Affoltern am Albis übernommen. Ein Gespräch mit Projektleiter und Individualpädagoge Oliver Engeler über seine anspruchsvolle Arbeit während der Corona-Pandemie.

Interview: Walter Aeschimann, Fotos: Dieter Seeger

Wie kamen Trivas und LIFT zusammen?

Vor fünf Jahren haben sich die sechs Sekundarschulen im Bezirk Affoltern am Albis dem Jugendprojekt LIFT angeschlossen. Trivas hat von den Schulen das Mandat erhalten, dieses Programm im Bezirk durchzuführen. Wir sind ein Verein, der Jugendliche in Krisen begleitet. Unsere Arbeit ist vor allem erlebnispädagogisch orientiert. Im Zusammenhang mit LIFT bieten wir Module an, koordinieren die Arbeitseinsätze und übernehmen die Reflexionsarbeit.

Welche Jugendlichen sind im LIFT-Programm?

Die Schulen melden die Jugendlichen an. Wir bieten pro Jahrgang 24 Plätze an. Es gab auch schon 40 Anmeldungen. Die Auswahl ist während Corona etwas anders organisiert. Wir machen Aufnahmegespräche in Kleingruppen. Die Kriterien sind aber gleich. Wir nehmen jene, bei welchen wir den Bedarf an zusätzlicher Unterstützung hoch einschätzen und welche sich selber aktiv, motiviert und freiwillig daran beteiligen wollen.

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Individualpädagoge Oliver Engeler vom Verein Trivas hilft Jugendlichen, bei unterschiedlichen Arbeitgebern Berufserfahrungen zu sammeln. Quelle: Foto von Dieter Seeger

Was passiert anschliessend?

Die Jugendlichen sind von der 1. Oberstufe bis Ende 2. Oberstufe im Programm. Wir bereiten sie in drei Modulkursen auf den Arbeitseinsatz vor. Seit der Pandemie führen wir die Module als Videokonferenzen durch. Das ist nicht optimal, weil wir physisch nicht mehr so nah bei den Jugendlichen sind, was wichtig wäre. Das Herzstück des Programms sind aber die Wochenarbeitsplätze. Die Jugendlichen leisten einen Einsatz in einem regionalen Gewerbebetrieb, in der Regel am schulfreien Mittwochnachmittag. Das Ziel ist es, während einem Schuljahr bei drei verschiedenen Arbeitgebern Erfahrungen zu sammeln. Die Jugendlichen erhalten auch einen kleinen Lohn. Sie machen wertvolle Schritte auf ihrem Weg in die Arbeitswelt, werden oft selbstsicherer und merken: hey, ich kann etwas.
Was muss der Jugendliche von sich aus leisten?
Die Jugendlichen müssen mit dem Arbeitgeber selber Kontakt aufnehmen. Dann sollten sie selbständig mit dem ÖV hinfahren. Ganz wichtig ist, dass die Jugendlichen regelmässig am Arbeitsplatz erscheinen. Ein LIFT-Kriterium ist auch, dass die Arbeitsrealität abgebildet wird.

Wie finden Sie die Arbeitgeber?

Ich bin in der Region gut vernetzt. Und wir haben einen Pool von wunderbaren Arbeitgebern, die sich stark engagieren. Etliche versuchen trotz Corona, ihr Angebot aufrecht zu erhalten. Ich verstehe aber, wenn einige vorübergehend Nein sagen. Ich muss trotzdem für alle einen Einsatz finden. Ohne Arbeitgeber gäbe es das Projekt nicht. Ich bin deshalb etwas angespannter als sonst. Momentan haben wir 21 Jugendliche im Programm.

Mit welchen Branchen arbeiten Sie zusammen?

Wir haben Arbeitgeber aus den Bereichen Detailhandel, Handwerk, Gastronomie, Kinderbetreuung, Unterhalt, Büro. Schwierig waren bisher Einsätze in Pflegeberufen. Obwohl viele Jugendlichen das gerne machen würden. Seit Corona geht das nicht mehr.

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Aufgenommen in das von Oliver Engeler geleitete Programm werden Jugendliche «bei welchen wir den Bedarf an zusätzlicher Unterstützung hoch einschätzen und welche sich selber aktiv, motiviert und freiwillig daran beteiligen wollen». Quelle: Foto von Dieter Seeger

Was ist wegen Corona ausserdem noch anders?

Es ist schwieriger geworden, die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Partnern zu verbinden. Beim Arbeitgeber will ich vermitteln, wenn ein Jugendlicher nicht erschienen ist. Ich will einen guten Kontakt zur Schule, zu den Eltern und regelmässig informieren. Und schliesslich möchte ich die Jugendlichen motivieren und Lösungen suchen, wenn etwas nicht funktioniert. All dies ist nun fordernder. Ich versuche, auch während Corona das Netz aufrecht zu erhalten. Die Jugendlichen sollen merken, dass wir Erwachsenen miteinander in Beziehung sind.

Wie erleben Sie die Beteiligten in dieser schwierigen Zeit?

Neben engagierten Arbeitgebern gibt es viele Jugendliche, die sehr motiviert und zuverlässig sind und sich auf den Mittwochnachmittag freuen. Wer das Programm zu Ende bringt, erwirbt ein Diplom. Das ist eine Auszeichnung und gute Referenz. Wir haben Jugendliche, die über LIFT eine konkrete Lehrstelle gefunden haben.

Gibt es auch neue Projekte aufgrund von Corona?

Ab Frühjahr 2021 gibt es ein neues LIFT-Pilotprojekt, das direkt im Zusammenhang mit Corona entstanden ist. Das Asyl-Zentrum Lilienberg bietet Platz für 90 unbegleitete asylsuchende Minderjährige. Im Austausch mit der DEAR Foundation – Solidarité Suisse habe ich im Sommer 2020 das Pilotprojekt LIFT-Lilienberg konzipiert. Wir haben vorerst fünf Plätze. Die DEAR Foundation – Solidarité Suisse finanziert das Pilotprojekt. Es geht dabei weniger um die konkrete Berufswahl. Der Fokus liegt auf den Themen Integration, Sicherheit, Zugehörigkeit sowie Unabhängigkeit. Solidarité Suisse engagiert sich für benachteiligte Menschen und Unternehmen in der Schweiz, die durch die Corona-Pandemie in Not geraten sind.

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