«Ich bin megastolz auf unsere Lernenden»

Thomas Rast ist am Hauptsitz der Axa Versicherung in Winterthur als Berufsbildner für zwei Dutzend Lernende verantwortlich. Er erzählt, wie er diese Aufgabe unter Homeoffice-Bedingungen wahrnimmt und wie die Lernenden mit der Situation klarkommen.

Interview: Andreas Minder, Fotos: Dieter Seeger

Seit wann sind Ihre Lernenden im Homeoffice?

Die Axa empfahl sehr früh, wenn möglich zu Hause zu arbeiten – schon im ersten Lockdown und dann wieder seit Mitte Oktober des letzten Jahres. Seit der Bundesrat im Januar die Homeoffice-Pflicht anordnete, sind alle Lernenden im Homeoffice. Zwischen den zwei Wellen kamen die Leute wieder etwas öfter ins Büro. Das galt auch für die Lernenden. Sie waren froh, als sie im Sommer wieder Aufgaben vor Ort wahrnehmen durften. Das anfängliche Abenteuer, zu Hause arbeiten zu dürfen, verlor für viele Lernende relativ schnell seinen Reiz.

Gab es bei der Einführung von Homeoffice Anlaufschwierigkeiten?

Es ist eigentlich von Anfang an recht gut gelaufen. Flexible Arbeitsmodelle und Homeoffice sind bei der AXA seit Jahren etabliert, die entsprechende IT-Infrastruktur war vorhanden. In den Berufen, die wir ausbilden, also KV, Informatikerinnen, Mediamatiker und Fachleute Kundendialog, ist es problemlos möglich, die Lernenden online zu betreuen und auszubilden. Man kann den Bildschirm teilen, um etwas zu zeigen. Wir Berufsbildner haben für die Praxisausbildner in den Abteilungen Informations-Kits erstellt. Darin haben wir zum Beispiel empfohlen, der Kommunikation grosses Gewicht beizumessen. Wir raten zu einem Anruf am Morgen und vielleicht auch am Abend, um den Tag zu strukturieren und zu besprechen.

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Für Thomas Rast, Berufsbildner bei Axa, ist es nicht einfach, zu spüren, wie es den Lernenden geht, wenn sie im Homeoffice arbeiten. Quelle: Foto von Dieter Seeger

Wie hat Corona Ihre Rolle als Berufsbildner verändert?

Mir fehlt der direkte Austausch mit meinen Lernenden. Es ist für mich schwieriger, zu spüren, wie es ihnen geht. Vor Corona haben wir uns regelmässig mit den Lernenden zum Mittagessen getroffen, auch um informelle Gespräche zu führen. So merkt man früh, wie es den Jugendlichen persönlich geht, und auch wenn etwas nicht so läuft. Im Homeoffice ist das nicht so einfach. Andererseits konnten wir neue Kommunikationsgefässe etablieren. Es ist lässig, wenn man unkompliziert und spontan per Videocall zusammenkommen kann. Der Informationsfluss ist so fast besser, weil wir uns in kürzeren Abständen austauschen.

Gibt es Lernende, die nennenswerte Schwierigkeiten haben mit der Situation?

Bisher nicht, wir richten aber vermehrt ein Augenmerk auf die Befindlichkeit der Lernenden. Wir machen wöchentlich oder zweiwöchentlich Gruppencalls. Da fragen wir explizit, wie es ihnen geht. Sie geben sich auch gegenseitig Tipps. Manchmal lockern wir diese Meetings mit kleinen Wettbewerben auf. Solche spielerischen Elemente kommen sehr gut an. Sie können aber den Face-to-Face-Austausch nicht ersetzen.

Was macht den Jugendlichen am meisten Mühe?

Was man generell sagen kann: Der Kontakt zu den Gleichaltrigen und den Arbeitskolleginnen und -kollegen fehlt ihnen schon. Das ist für sie wahrscheinlich noch wichtiger als für uns Erwachsene. Die einen stecken das besser weg, anderen schlägt es stärker auf das Gemüt. Dazu kommt, dass nicht alle die gleichen Voraussetzungen haben. Wenn Lernende eine kleine Wohnung mit Eltern und Geschwistern teilen müssen, ist es natürlich schwierig, geschäftlich zu telefonieren oder konzentriert zu arbeiten. Andere haben viel bessere Bedingungen.

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Den Praxisausbildnern empfiehlt Thomas Rast, regelmässig mit den Lernenden im Homeoffice zu kommunizieren, um ihrem Alltag eine Struktur zu geben. Quelle: Foto von Dieter Seeger

Wie steht es um Arbeitsdisziplin und -effizienz?

Ganz am Anfang habe ich von den Praxisausbildnern die Rückmeldung erhalten, die Arbeitsqualität habe sogar zugenommen. Wir erklären uns dies damit, dass die Lernenden nicht sofort jemanden fragten, wenn sie auf ein Problem stiessen, wie sie das im Büro getan hätten. Sie haben stattdessen erst selbst überlegt, sich in Prozesse hineingedacht und sich wirklich mit den Arbeiten auseinandergesetzt. Ich glaube aber, dass es mit der Zeit eine gewisse Ermüdung gibt. Und natürlich kommt es vor, dass jemand gelegentlich etwas weniger motiviert ist zu Hause. Vielleicht wird auch etwas mehr gechattet mit den Mitlernenden. Aber das ist etwas, das man in einer Phase, in welcher der soziale Austausch zu kurz kommt, meiner Meinung nach durchaus zulassen kann.

Was ziehen Sie für eine generelle Bilanz?

Wir haben die Krise bisher gut gemeistert. Der Betrieb hat immer funktioniert. Die Mehrheit der Jugendlichen gibt aber dem Büro sicher den Vorzug vor dem Homeoffice. Es «gnüegelet» langsam mit Corona. Persönlich bin ich megastolz auf unsere Lernenden. Ich höre sie nicht jammern, obwohl sie auf extrem viel verzichten müssen. Sie halten sich an die Vorgaben und sie geben sich Mühe, um die Ausbildung erfolgreich abzuschliessen. Das macht mir Freude und ist sehr motivierend.

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