PolitTalk Digitales Zürich #6 – Die Digitalisierung des Salats

Die Teilnehmenden in Diskussion am PolitTalk Digitales Zürich Nr. 6

Die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung, die Lieferlogistik in den verdichteten Städten und die Verhinderung von Foodwaste waren die Kernthemen des sechsten PolitTalks, der am 29. Januar in der Universität Zürich über die Bühne ging.

In seiner kurzen Einleitung weist Prof. Abraham Bernstein, Leiter der Dynamic and Distributed Information Systems Group und Direktor der Digital Society Iniative der Universität Zürich, darauf hin, dass bei den PolitTalks Themen aufgegriffen werden, die nächstens auf der politischen Agenda erscheinen werden. Die sechste Veranstaltung widmete sich dem Einfluss der Digitalisierung auf unsere Ernährung.

Abraham Bernstein stellt in diesem Zusammenhang das laufende Projekt «Pig Data» der Universität Zürich vor, das sich der Schweinezucht in der Schweiz widmet und deren Optimierung. Das Thema hat sich als hoch komplex erwiesen, und die Forscher haben «einen Schweinestall an Daten» (Bernstein) vorgefunden, den es zum Wohle der Tiere und letztendlich auch des Menschen zu analysieren gilt.

Keine Lagerung, weniger Foodwaste

Nach den Grussworten führte Prisca Koller, Kantonsrätin und Mitglied des Kernteams PolitTalk Digitales Zürich, durch den PolitTalk und gab als erstes Andrea Krapf, Genossenschaft Migros Zürich, Leiterin Direktion Logistik/Informatik, das Wort. Sie präsentierte verschiedene laufende Projekte des orangen Riesen, die darauf abzielen, die Zeit zwischen Ernte und Verkauf zu verkürzen oder Foodwaste zu verhindern.

Andrea Krapf stellte zu Beginn gleich ein paar Fragen in den Raum, während sie – wie weiland Hamlet den Schädel – einen Kopfsalat in ihrer rechten Hand hielt: «Wie informieren Sie sich über den Salat, den sie kaufen? Wie viele Informationen brauchen oder wollen Sie?» Die Logistik-Fachfrau der Migros versicherte, dass der Detailhandel stark von der Disruption betroffen ist. Im Lebensmittelsektor ist die Verhinderung von Foodwaste ein Hauptziel. Aktuell läuft das Projekt QM 4.0, das eine Temperatur-Selbstkontrolle vom Zeitpunkt der Ernte bis zur Lieferung in den Migros-Filialen erlaubt und so sicherstellt, dass die Kühlkette ohne Unterbrechung eingehalten wird.
Weiter sorgen Anstrengungen im Bereich «Forecast & Replenishment» dafür, dass dank 180 Kriterien, die manchen Produkten hinterlegt sind, eine Zwischenlagerung von Frischprodukten hinfällig ist. So rücken der Zeitpunkt der Ernte und Lieferung immer näher zusammen, da erst bei der eigentlichen Bestellung geerntet wird und nicht zuvor. Heute braucht ein Kopfsalat vom Feld in Italien bis zum Regal in der Schweiz rund 24 Stunden.

Offene Daten als Basis für Innovation

Der Zugriff auf von Menschen und zunehmend auch von Maschinen (Internet of Things) generierten Daten bildet den Humus künftiger Innovation. Zurzeit herrscht ein Ungleichgewicht. Firmen wie Google, Facebook und Amazon – nur um die bekanntesten zu erwähnen – greifen Daten ab, ohne diese mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Hannes Gassert, Unternehmer und Initiant von food.opendata.ch, der Initiative für offene Daten über unser Essen, zeigte auf, wie wichtig es ist, dass die digitale Datenschicht, die in Zusammenhang mit der Lebensmittelproduktion, deren Logistik und Konsum anfällt, allen Menschen zugänglich ist. Nur auf dieser Basis kann Innovation vorwärtsgetrieben werden, die auf nachhaltigere Lösungen abzielt.

Zu diesem Zweck setzt Hannes Gassert auf das Hackathon-Format, in dessen Rahmen binnen 48 Stunden in hochmotivierten, interdisziplinären Teams Lösungen gesucht werden. Voraussetzung für solche Events ist der Zugriff auf Daten. Ein erster Schritt wurde mit Open Government Data erreicht. Hier stellen Bund, Kantonen und Gemeinden ihre offenen Daten zur Verfügung. Nun ist die Reihe an der zweiten strategischen Initiative: Business Innovation food.opendata. Hier wurde unter vielem anderem in Zusammenarbeit mit Engagement Migros, Küchengerätehersteller V-Zug und SIX, einem Dienstleister im bargeldlosen Zahlungsverkehr, ein Projekt verfolgt, das die Möglichkeiten von IoT in der Küche und moderner Logistik miteinander kombiniert.

Lokale Produzenten vernetzen, Logistik optimieren

Wie das aussehen kann, präsentierte Urs Gubser, Head E-Commerce Strategy bei SIX Payment Services. Er ist überzeugt, dass die Disruption der Ernährungsgewohnheiten in der Küche beginnt. Mit dem Internet verbundene Kühlschränke, sprachgesteuerte Lautsprecher, die gleich Lebensmittelbestellungen aufnehmen, werden die Zukunft des Kochens prägen. Für das Projekt baute V-Zug einen intelligenten Kühlschrank, der stets über seinen Inhalt «Bescheid» weiss und auch Nachbestellungen ausführen kann. Schnell zeigte sich, dass ein einzelner lokaler Händler die Anforderungen nicht erfüllen konnte, aber von Kundenseite nur eine Lieferung pro Tag gewünscht ist. Gemäss Gubser gibt es zurzeit weltweit nur eine Firma, die ein solches Konzept erfüllen kann, und deshalb ist es dringend notwendig, eine Alternative zu Amazon aufzubauen. Es gilt, die lokalen Lebensmittelproduzenten zu vernetzen und eine schlanke Logistik bis zum Endkunden zu ermöglichen. Entscheidend dabei ist, dass man sich nicht in die Abhängigkeit eines quasi-monopolistischen Zulieferers begibt, sondern die Diversität der Region unterstützt. Obschon aus dem Projekt patentierte Prozesse hervorgingen, wurde es auf Grund einer zwischenzeitlich erfolgten Übernahme von SIX Payment Services durch den Worldline Konzern eingestellt.

Verpackungsmüll und Privatsphäre

In der angeregten anschliessenden Diskussion zeigten sich weitere Herausforderungen wie die Handhabung der bei Hauslieferungen anfallenden Verpackungsmaterialien und die Einflussnahme auf die Verwendung der persönlichen Datenströme, die bei der Nutzung von Online-Dienstleistungen generiert werden.

Andrea Krapf wies darauf hin, dass Verpackungsmaterialien nicht Abfall, sondern Wertstoffe sind. Entscheidend ist aber der Retourenprozess. In Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre präzisierte Hannes Gassert, dass unterschieden werden muss zwischen nicht personenbezogenen Daten, die für die Open-data-Bewegung relevant sind, und My Data, Datenmaterial, das privat ist und geschützt werden muss.

Die Diskussion machte deutlich, dass sich in Zusammenhang mit Transparenz, Vertrauen und dem Schutz der Privatsphäre viele Fragen stellen. Der Stoff wird weiteren Polittalks nicht so schnell ausgehen.  

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