Informatiktage 2018 – Bunt wie 99 Luftballons

Informatiktage 2018

Das Wetter meinte es gut mit den dritten Informatiktagen und die Angebote hielten den Verlockungen des Badewetters stand. 9 000 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit und tauchten in die vielfältigen IT-Angebote ein, die von rund 70 Mitwirkenden bereitgestellt wurden.

Die dritten Informatiktage standen unter einem guten Omen. Bereits an der Eröffnungsfeier, die in den Räumlichkeiten der ZKB an der Josefstrasse stattfand, war die Stimmung geprägt vom Enthusiasmus der Teilnehmenden, deren Firmen drei Tage später die Türen für das Publikum öffnen würden. An diesem Abend roch Eigenlob wie eine Blumenwiese im Frühling, wie es der Moderator und Komiker Zukkihund zusammenfasste.

Regierungsrätin Carmen Walker Späh erinnerte an die rund 50 000 IT-Arbeitsplätze im Kanton Zürich, bevor sie die dritten Informatiktage für eröffnet erklärte. Stadtrat Daniel Leupi, bedankte sich für den Durchhaltewillen der Teilnehmenden, denn «dran bleiben und weiter entwickeln ist oft schwieriger, als etwas Neues aus dem Boden zu stampfen».

Silberstreifen am Horizont und Aufbruchstimmung

Die Motivation der mitwirkenden Firmen ist klar, herrscht doch nach wie vor Fachkräftemangel und auch die Wahrnehmung der Branche darf sich – obschon die Zahl der Studierenden und Lernenden ansteigt – weiterhin verbessern. Auch hier gilt es dranzubleiben, so dass die Wichtigkeit und Attraktivität der ITBranche rundum wahrgenommen wird. Der Swico-Geschäftsführer Jean-Marc Hensch hat das Bild der IT-Branche in der Öffentlichkeit einst mit einem «monolithischen Block» verglichen. Doch wer sich am 1. und 2. Juni von den bunten Ballons führen liess, die in Zürichs Strassen vielerorts zu sehen waren, erlebte eine faszinierende Vielfalt der Informatik. Auch auf der formalen Ebene wurde Diversität geboten, und zwar für jede Altersgruppe: Workshops, Referate, Ausstellungen, Quiz-Shows, Virtual- und Augmented-Reality-Demonstrationen usw. Entsprechend waren die verschiedenen Veranstaltungen von einem sehr durchmischten Publikum besucht, schliesslich geht IT alle etwas an. Diese Botschaft scheint angekommen zu sein.

Wie weit hingegen die Ausführungen zur Blockchain von den Besuchern des Referates bei der Firma Indema verstanden wurden, ist dagegen nicht klar. Dass ein Thema wie Blockchain sehr anspruchsvoll ist, liegt auf der Hand. Der Referent der Firma Indema war bestens vorbereitet und erklärte die neue Technologie so anschaulich, wie es die abstrakte Materie überhaupt erlaubt. Die hohe Komplexität von Blockchain liess denn auch Skeptiker am lauen Freitagabend der Informatiktage bei einem Glas Weisswein Konspirationstheorien und Mutmassungen zum Trust Square, dem im April eröffneten Coworking Space, diskutieren. Dieser bietet an der Zürcher Bahnhofstrasse Blockchain-Unternehmern, Forschenden und Investoren einen Ort, an dem sie ihre Ideen umsetzen können.

Von Foodwaste bis zum Essigsyndrom

Einem anderen, weniger erfreulichen Phänomen der Gegenwart hat sich die Firma Zeix beim Stauffacher angenommen: Foodwaste. Am Beispiel des Projekts «Fridgy» von Studierenden der Berner Fachhochschule wurde in einem Parcours die Entwicklung einer App erklärt. Fridgy ist ein Gemeinschaftskühlschrank, in den Lebensmittel gelegt werden können, die man selber nicht (mehr) isst. Was darin verfügbar ist, verrät die gleichnamige App. Der Rundgang zeigte, wie viel Handarbeit auch in einem Computerprogramm steckt. Beim Pen & Paper Prototyping konnten die App-Oberfläche skizziert und mögliche Texte handschriftlich auf dem vorgedruckten Bildschirm festgehalten werden. So wird auf einfache Art sichtbar, wie man die Texte gestalten soll, damit die Nutzer klar und verständlich geführt werden.

Im Rahmen einer Prototypen-Entwicklung stellen sich haufenweise Fragen, die im anfänglichen Enthusiasmus nicht bedacht wurden: Braucht es ein Login, um sich am Gemeinschaftskühlschrank bedienen zu dürfen und Teil der Nutzergemeinschaft zu sein? Muss man wissen, von wem welches Produkt stammt? Solche Problemstellungen machen selbst Laien deutlich, dass die Informatik bei weitem nicht auf das Programmieren von Codes oder den Umgang mit Computern beschränkt ist. Sie sucht vielmehr nach Lösungen für die unterschiedlichsten Probleme und erfordert interdisziplinäres Denken.

Mit einem tückischen Problem hat die Filmbranche zu kämpfen: dem unwiederbringlichen Verlust von Filmen. Erstmals hat auch das Filmpodium Zürich an den Informatiktagen teilgenommen und einem interessierten Publikum Filmhistorisches näher gebracht. So war zu erfahren, dass gut die Hälfte aller Spiel- und Dokumentarfilme verloren sind. Bei den Stummfilmen dürften es gar 90 bis 95 Prozent sein! Verantwortlich für diese horrenden Verluste war oft das ursprüngliche Filmmaterial, das höchst feuergefährlich war und dessen Brand selbst durch Wasser nicht gelöscht werden konnte. So wurden ganze Studios und ihre Bestände ein Raub der Flammen.

Die Digitalisierung von Filmmaterial, soweit es vorhanden ist, erweist sich als kostspieliges Unterfangen, denn mit dem Einscannen allein ist es in den meisten Fällen nicht getan. Je nach Zerfall der Vorlage – der spätere Acetatfilm wird gerne ein Opfer des Essigsyndroms und bleicht aus – muss Bild für Bild bearbeitet und restauriert werden, bevor es digitalisiert wird. Und dann stellt sich die Frage: In welchem Format? Allein ein Blick auf den Verbrauchermarkt zeigt, wie schnell sich die Formate von VHS über Laserdisc zu DVD und heute Blue Ray Disc entwickelt haben und die Abspielbarkeit durch ihren schnellen Wandel stark einschränken.

Erfahrungen aus erster Hand

Gastgeberin Accenture spannte mit den Noser Young Professionals zusammen und bot den Besucherinnen und Besuchern Arduino-Workshops an, die auf reges Interesse stiessen. Die Microcontrollerplattform eignet sich für den Einstieg ins Programmieren, sind die jungen Damen und Herren überzeugt. Sie unterstützten die Novizen beim Bestücken von Platinen und dem korrekten Interpretieren von Schaltplänen. Hier zeigte sich die alte Computer-Weisheit «Computers don’t argue – Computer diskutieren nicht» sehr anschaulich: Wenn ein Kabel an einer falschen Stelle eingesteckt ist, dann passiert gerade mal gar nichts. Bleibt die erwartete Reaktion aus, gilt es, dem Problem systematisch auf den Grund zu gehen. Keine einfache Sache, zumal die Farben der Kabel auf der Vorlage nur selten den eingesetzten Verbindungen entsprechen.

In angenehm entspannter Atmosphäre bei der Josefswiese präsentierte das Start-up Generation 65 Plus digitale Angebote, die betagte Menschen beim selbstbestimmten Wohnen in den eigenen vier Wänden unterstützen, und Roböterchen, die sich von kleinen Kindern programmieren lassen. So wird der Bogen von der Enkel- zur Grosselterngeneration auf digitale Weise gespannt. Ob jung oder alt, die Reaktionen waren durchwegs positiv, was entscheidend ist – gerade auch beim Einsatz von Assistenzrobotern.

Eher altertümlich wirkten viele Exponate aus der Computersammlung von Robert Weiss, die im Parterre der Pädagogischen Hochschule Zürich PHZH unweit vom Zürich HB nebst eindrücklichen Matura-Abschlussarbeiten präsentiert wurden. Die teils mechanischen Maschinen haben dem Zahn der Zeit dank ihrer äusserst soliden Bauart – manche wurden sogar in Zürich hergestellt – gut widerstanden. Videospiel- Nostalgiker fühlten sich magisch vom Commodore 64 angezogen, einem der ersten erschwinglichen Personal Computer, und auch das original Nintendo Entertainment System fand sein Publikum.

Ein IT-Fest der Vielfalt

Nicht alle Veranstaltungen fanden an einer zentralen Lage wie der PHZH statt. Die Wege führten auch an Standorte in anderen Stadtquartieren und nach Wallisellen und Winterthur. So konnten sich 20 Interessierte an der Edenstrasse 20 beim Zürcher Lehrbetriebsverband ICT ZLI einen Eindruck von der laufenden digitalen Transformation verschaffen. Ein am ZLI ausgebildeter Mediamatiker und Jungunternehmer beendete seinen Vortrag mit dem treffenden Statement, dass mit Blick auf die Zukunft «alles auf die Karte Bildung» gesetzt werden soll. Da lag es nahe, die verschiedenen ZLI-Angebote vorzustellen, darunter das ICT-Basislehrjahr, das am ZLI besucht werden kann, bevor die Lernenden für die verbleibenden Jahre ihrer Ausbildung in die Betriebe wechseln.

Ein ganzer Reigen von Jobs und weiteren ICT-Einsatzmöglichkeiten konnte am Albisrieder IT-Fest bestaunt werden, präsentiert von den Unternehmen Ergon, Futurae, Siemens, Stadt Zürich, Swico und UBS. Handliche Roboter wurden programmiert, VR- und AR-Applikationen sowie deren Einsatzgebiete gezeigt und selbst ein kleiner SMS-Hacking-Kurs wurde angeboten, der einfach illustrierte, wie Hacker vorgehen und wie man sich vor Angriffen am besten schützt.

Wem der Kopf nach so vielen Eindrücken etwas schwirrte, der konnte sich draussen im Hof eine Wurst vom Grill gönnen oder Crêpes geniessen. Die Stimmung war wie an einem Quartierfest, und einige der anwesenden Senioren entpuppten sich als frühere Siemens-Mitarbeiter, die über den Wandel des Quartiers im Zeichen der Digitalisierung diskutierten. Wo einst Fertigungsstätten waren, sind nun Start-ups und natürlich das Zentrum für Organisation und Informatik der Stadt Zürich.

Die 9 000 Besucherinnen und Besucher, die am 1. und 2. Juni in der Stadt Zürich und in Winterthur den bunten Ballonen folgten, wurden von engagierten Gastgeberinnen, Lernenden, Workshop-Leitenden und Referenten empfangen. So vielfältig wie die Angebote der rund 70 teilnehmenden Firmen waren auch die Formate. Sie liessen Gross und Klein staunen, ausprobieren, konstruieren, programmieren oder einfach mal zuhören und Informationen sammeln.

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