Gewinnervideos zeigen Unbehagen über fehlendes Recht auf Vergessen

Die Einsendungen des Datenschutz-Video-Wettbewerbs 2019 widerspiegeln eine gewisse Hilflosigkeit über den Umgang mit Informationen auf Online-Plattformen. Die sozialen Medien oder das Online-Dating gehören inzwischen zum Leben, aber wie geht man damit um, dass alle Post und alle Bilder für immer gespeichert sind? Die preisgekrönten Videos diskutieren die Grenzen der Einflussmöglichkeiten einzelner Personen. An der Prämierungsveranstaltung wurde auch mehr Engagement der Zivilgesellschaft gefordert.

Gewinnerin und Gewinner und Jury und Moderator.
Gewinnerin und Gewinner und Jury und Moderator: Bruno Baerswyl, Jouko Schäublin, Zoé Moureau, Flurin Senn, Stefanie Theil, Adam Keel. Quelle: Datenschutzbeauftragter Kanton Zürich Bild «Gewinnerin und Gewinner und Jury und Moderator.» herunterladen
Jana Honeggr, Bruno Baeriswyl und Adam Keel.
Jana Honeggr, Bruno Baeriswyl im Gespräch mit Moderator Adam Keel. Quelle: Datenschutzbeauftragter Kanton Z Bild «Jana Honeggr, Bruno Baeriswyl und Adam Keel.» herunterladen

Der Moderator des Abends Adam Keel stellte sich mit seinem Beitrag zum Datenschutz-Video-Wettbewerb vor drei Jahren vor. Darin fragte er Menschen auf der Strasse, ob sie sich von ihm überwachen liessen. Die Antwort war eindeutig: Natürlich nicht. Aber warum lassen sie sich dann von den Internetfirmen überwachen? Bruno Baeriswyl meinte: «Das Video bringt es zwar auf den Punkt, ist aber sogar noch verharmlosend, wenn man die AGBs von Instagram oder eines E-Scooter-Vermieters liest.» Die Firmen gingen viel weiter und nähmen sich das Recht, die Person online und offline zu beobachten, Daten zu sammeln über ihr Verhalten, auch wenn sie das Produkt gar nicht nutze, und diese Informationen natürlich ohne jegliche Transparenz zu verknüpfen, auszuwerten und weiterzugeben. Jana Honegger vom Chaos Computer Club Schweiz erklärte: «Wir stimmen nicht nur dem zu, was in den vorliegenden AGBs steht, sondern allem, was die Firma in Zukunft mit den Daten noch anstellen könnte – ohne zu wissen, was das sein könnte.» Für so weitverbreitete Games wie Fortnite mache sich die Betreiberfirma beispielsweise nicht mal die Mühe, die AGBs auf Deutsch zu übersetzen. Zudem sei der Rechtsstandort meist in Kalifornien oder gar nicht aufzufinden, meinte sie. Bruno Baeriswyl verdeutlichte: «Man kann davon ausgehen, dass die Einwilligungen in die AGBs in dieser Form nicht rechtsgültig sind. Aber es wäre sehr schwierig, dies vor Gericht durchzusetzen.» Jana Honegger forderte trotzdem dazu auf, aktiv zu werden: «Als die Eisenbahn erfunden wurde, fuhren die Lokomotiven ohne Bremse. Das kann sich heute niemand mehr vorstellen. Genauso müssen auch im Internet Sicherheitsmassnahmen eingeführt werden.»

Jouko Schäublin mit 2.Preis
Prämirung Datenschutz-Video-Wettbewer: Jouko Schäublin mit 2.Preis Quelle: Datenschutzbeauftragter Kanton Zürich Bild «Jouko Schäublin mit 2.Preis» herunterladen

«Out of the past: das Internet vergisst nie» war das Thema des diesjährigen Datenschutz-Video-Wettbewerbs. Die eingereichten Beiträge zeigen das Unbehagen, aber auch die Hilflosigkeit der Videoschaffenden mit der aktuellen Situation in den sozialen Medien. Zwar gibt es Tipps, nur zu posten, was man nicht bereuen würde, oder die Konten auf den Online-Plattformen regelmässig aufzuräumen. «Es ist dann nicht verschwunden, aber es ist weniger gut sichtbar», das weiss auch die Kunstfigur Odette Hella’Grand in ihrer Einsendung. Der rasante Beitrag wurde mit dem zweiten Platz ausgezeichnet. Jurymitglied Flurin Senn, Leiter Bereich Bildung und Erziehung in der Abteilung Sekundarstufe I an der Pädagogischen Hochschule Zürich, nannte das Video «einen regelrechten Informations-Tsunami». Die Jury hob hervor, dass der Beitrag viel Information und Inhalt transportiert, der aufrüttelt und wachrüttelt. Das Video spreche nicht nur junge Menschen sondern auch Eltern an. Der vierminütige Film sei nie langweilig. Jouko Schäublin, der Mensch hinter Odette Hella’Grand, sprach darüber, wie schwierig es sei, dieser Datensammelei zu entfliehen. «Ich habe Konten und ihre Inhalte gelöscht, aber ja, auch ich bin leider wieder auf Tinder.»

Zoé Moureau mit 1. Preis für Nicolai Raab.
Zoé Moureau mit 1. Preis für Nicolai Raab, Tanya Mumro, Sehnseits. Quelle: Datenschutzbeauftragter Kanton Zürich Bild «Zoé Moureau mit 1. Preis für Nicolai Raab.» herunterladen

«Weisst du noch?» fragen Nicolai Raab, Tanya Mumro und das Team von Sehnseits im erstplatzierten Wettbewerbsbeitrag und fahren weiter: «Auch wenn du schon vergessen hast, das Internet vergisst nie!» Die Macherinnen und Macher zeigen, wie schnell Bilder, die jemandem zu einem Zeitpunkt witzig erschienen, sich irgendwann gegen sie oder ihn wenden können. Das Jurymitglied Stefanie Theil, Senior Producer bei SRF MySchool, spricht aus eigener Erfahrung: «Da hast du beim Bewerbungsgespräch einen guten Eindruck einer Person bekommen, schaust ihr Instagram-Profil an und entscheidest dich dann gegen eine Anstellung. Das ist schon vorgekommen.» Die Jury vergab den 1. Preis an Nicolai Raab und sehnseits, weil der Beitrag eine klare Botschaft vermittelt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden mit einer Geschichte angelockt und bleiben dank dem durchgehenden Spannungsbogen bis zum Schluss dabei. Besonders gefallen hat auch die Knappheit des Clips und seine ansprechenden Bilder und guten Kameraeinstellungen.

Bruno Baeriswyl zeigte sich insgesamt erfreut darüber, dass Fragen zu den Risiken der neuen Medien und des Internets facettenreich diskutiert würden. «Wir warten gespannt auf die Einreichungen zum Datenschutz-Video-Wettbewerb im nächsten Jahr.»

Gewinnervideos

Video «Weißt du noch?» - 1. Preis Datenschutz Video Wettbewerb 2019
«Das Internet vergisst nie» - 2. Preis Datenschutz Video Wettbewerb 2019

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