Anspruch des Wohnkantons
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Rechtsgrundlagen
Art. 8 ZUG Art. 16 ZUG Art. 17 ZUG
Erläuterungen
1.Voraussetzungen
Hat eine Person weniger als zwei Jahre ununterbrochen Wohnsitz in einem Kanton, erstattet der Heimatkanton dem Wohnkanton die Sozialhilfekosten, die dieser selber ausgerichtet o-der einem Aufenthaltskanton nach Art. 14 ZUG vergütet hat (Art. 16 ZUG). Bei der Bemessung der Wohnsitzdauer ist das Zuzugsdatum in den Kanton und nicht das Zuzugsdatum in die Gemeinde massgebend. Wohnsitzwechsel innerhalb des Kantons unterbrechen die zweijährige Kostenersatzpflicht des Heimatkantons nicht. Anders verhält es sich, wenn eine Person ihren Unterstützungs-wohnsitz verliert und nicht sogleich einen neuen Unterstützungswohnsitz begründet (vgl. da-zu Kapitel 3.2.01). In einem solchen Fall beginnt die zweijährige Kostenersatzplicht des Hei-matkantons erneut zu laufen, wenn die Person einen neuen Unterstützungswohnsitz be-gründet. Im Zeitraum, in welchem die Person keinen Unterstützungswohnsitz mehr hatte, kommt die Kostenersatzpflicht nach Art. 15 ZUG zur Anwendung (vgl. dazu Kapitel 18.2.01).
2.Ermittlung des zuständigen Heimatkantons
Verfügt eine bedürftige Person über mehr als ein Bürgerrecht, ist gemäss Art. 17 ZUG das Bürgerrecht massgebend, das die bedürftige Person oder ihre Vorfahren zuletzt erworben haben. Nach Art. 161 ZGB erhält die Ehefrau das Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Eheman-nes, ohne das Kantons- und Gemeindebürgerrecht zu verlieren, das sie als ledig hatte. Das für die Weiterverrechnung massgebende Bürgerrecht der Ehefrau ist, weil mit der Heirat und damit zuletzt erworben, dasjenige ihres Ehemannes.
Beispiel:
Eine Frau mit dem Bürgerrecht St. Gallen heiratet einen Churer Bürger. Mit der Heirat erwirbt sie das Bürgerrecht ihres Ehemannes. Falls die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, ist neu der Kanton Graubünden Kosten tragender Heimatkanton.
Vor dem 1. Januar 1988 war dies aber anders. Damals erwarb zwar die Ehefrau mit der Hei-rat das Bürgerrecht ihres Ehemannes, verlor aber ihr angestammtes Bürgerrecht. Mit der per 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Revision des Eherechts wurde den Frauen die Möglich-keit eröffnet, durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde ihres ehemaligen Heimat-kantons das ehemalige Bürgerrecht wieder anzunehmen (Art. 8b SchlT ZGB). Für die Wei-terverrechnung ist hier zu beachten, dass es sich nicht um einen Neuerwerb eines Bürger-rechts handelt, sondern um die Wiedereinsetzung in eine vorbestandene Rechtsstellung. Das zuletzt erworbene Bürgerrecht ist in einem solchen Fall das mit der Heirat erworbene Bürgerrecht des Ehemannes (vgl. Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zustän-digkeit für die Unterstützung Bedürftiger, 2.A., Zürich 1994 N 215 mit Hinweis). Hat eine Person durch Abstammung mehrere Bürgerrechte erworben, ist nötigenfalls durch Konsultation des Familienregisters das Bürgerrecht zu eruieren, welches die Vorfahren der bedürftigen Person zuletzt erworben haben. Diese Abklärungen nehmen die zuständigen Zi-vilstandskreise auf entsprechende Anfrage vor. Wird eine Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit eingebürgert und erhält sie durch die Einbürgerung die Bürgerrechte ihres Ehegatten, so ist das für die Weiterverrechnung massgebende Bürgerrecht dasjenige, welches der Ehegatte oder dessen Vorfahren zuletzt erworben haben.
3.Anrechnung der Wohndauer für die Festlegung der Kostenersatzpflicht
Für Ehegatten, eingetragene Partner oder Partnerinnen sowie unmündige Kinder gelten bei der Berechnung der Wohndauer spezielle Regeln. Art. 8 ZUG sieht (aus Sicht des Heimat-kantons) eine Meistbegünstigung vor, indem bei unterschiedlicher Wohndauer innerhalb der Familie grundsätzlich für alle Familienmitglieder mit gleichem Bürgerrecht die längere Wohn-dauer massgebend ist. Man spricht hier von abgeleiteter Wohndauer. Die Meistbegünstigung nach Art. 8 ZUG kommt also nur zum Tragen, wenn die Familienmitglieder eine rechnerische Unterstützungseinheit Sinne von Art. 32 Abs. 3 ZUG bilden (vgl. dazu Kapitel 6.2.01). Dies ist bei Personen mit unterschiedlichem Bürgerrecht zum vornherein nicht der Fall. Hier ge-langt Art. 19 ZUG zur Anwendung, der bei zusammen lebenden Familienangehörigen mit un-terschiedlichem Kantonsbürgerrecht eine Aufteilung der Kosten auf die verschiedenen Hei-matkantone entsprechend dem Kopfteilungsprinzip vorsieht (vgl. dazu Kapitel 18.1.01). Die-se Regelung gilt sinngemäss auch, wenn einzelne Familienangehörige ein ausländisches Bürgerrecht besitzen. Demzufolge kann sich ein ersatzpflichtiger Heimatkanton nicht auf die (längere) Wohnsitzdauer des ausländischen Ehegatten seiner Bürgerin berufen. Vielmehr ist nur deren eigene Wohnsitzdauer für die Kostenersatzpflicht massgeblich (Entscheid des EJPD vom 26. Mai 1999, in Zeitschrift für Sozialhilfe [ZESO] 2000 S. 28 f.). Im Einzelnen sieht Art. 8 ZUG Folgendes vor:
- Leben Ehegatten bzw. eingetragene Partner oder Partnerinnen zusammen, ist ihre Wohndauer im Kanton aber unterschiedlich lang, so ist für die Weiterverrechnung stets die längere massgebend (Art. 8 lit. a ZUG).
- Die längere Wohndauer bleibt auch massgebend, wenn die Ehegatten bzw. eingetrage-ne Partner oder Partnerinnen den gemeinsamen Haushalt zwar auflösen, jedoch im bis-herigen Wohnkanton bleiben (Art. 8 lit. b ZUG).
- Verlässt hingegen einer der Ehegatten bzw. Partner oder Partnerin den bisherigen Wohnkanton, so ist mit Bezug auf die wegziehende Person der Zeitpunkt der Wohnsitz-begründung im neuen Wohnkanton für die Kostenersatzpflicht massgebend. Für die im bisherigen Wohnkanton verbleibende Person gilt weiterhin die bisherige, also die abge-leitete Wohndauer.
- Hat ein Ehegatte bzw. Partner oder eine Partnerin unter Aufgabe des gemeinsamen Haushaltes den Wohnkanton verlassen und zieht sie später wieder im früheren Wohn-kanton mit dem Ehegatten bzw. Partner oder der Partnerin zusammen, übernimmt sie die Wohndauer der im bisherigen Wohnkanton verbliebenden Person.
- Für das unmündige Kind, das mit den Eltern (oder dem sorgeberechtigten Elternteil) zu-sammenlebt, gilt ebenfalls die längere Wohndauer.
- Erhält das unmündige Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz (Art. Abs. 3 ZUG, vgl. dazu Kapitel 3.2.03), wird ihm weiterhin die von den Eltern abgeleitete Wohndauer ange-rechnet, wenn es den Wohnkanton nicht verlässt (Art. 8 lit. c ZUG).
- Erhält das unmündige aber einen eigenen Unterstützungswohnsitz (Art. Abs. 3 ZUG, vgl. dazu Kapitel 3.2.03) und verlässt es dabei den bisherigen Wohnkanton, fängt die zwei-jährige Kostenersatzpflicht des Heimatkantons für das Kind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts von Neuem zu laufen.
Beispiele:
Eine St. Gallerin, die auch in St. Gallen wohnt, heiratet einen seit drei Jahren in Zürich wohnhaften Churer und zieht zu ihm nach Zürich. Die St. Gallerin erhält einerseits das Bür-gerrecht ihres Mannes und andererseits leitet sich ihre Wohndauer im Kanton Zürich gestützt auf Art. 8 lit. a ZUG auch von derjenigen ihres Mannes ab, d.h. ihre für die Weiterverrech-nung massgebende Wohndauer beträgt drei Jahre. Damit ist der Heimatkanton Graubünden nicht mehr kostenersatzpflichtig. Das bleibt auch so, wenn sich die Eheleute nach einem Jahr Ehe trennen und die Ehefrau nach Uster zieht. Die Wohndauer beider Ehegatten beträgt dann vier Jahre, der Kanton Graubünden ist nicht kostenersatzpflichtig. Trennen sich die Eheleute aber nach einem Jahr Ehe und zieht der Ehemann nach Aarau, während die Ehefrau in Zürich bleibt, so behält die Ehefrau die bisherige abgeleitete Wohn-dauer von 4 Jahren. Kehrt der Ehemann nach einem halben Jahr zu seiner Ehefrau nach Zü-rich zurück, übernimmt er die Wohndauer der Ehefrau, beide haben also Wohndauer von vier Jahren, der Heimatkanton ist nicht kostenersatzpflichtig. Kehrt der Ehemann indes nach einem halben Jahr zwar in den Kanton Zürich zurück, zieht er aber nicht wieder mit der Ehe-frau zusammen, ist seine eigene Wohndauer massgebend, d.h. mit dem erneuten Einzug in den Kanton Zürich fängt die zweijährige Kostenersatzpflicht des Heimatkantons an zu laufen.
Lebt ein 1-jähriges Kind mit seiner seit drei Jahren in Zürich wohnhaften sorgeberechtigten Churer Mutter zusammen, gilt für das Kind eine Wohnsitzdauer von drei Jahren, der Heimat-kanton ist damit nicht kostenersatzpflichtig. Wird der Churer Mutter das Sorgerecht über ihr 1-jähriges Kind entzogen, wird dem Kind durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Zürich ein Vormund bestellt und wird es in ein Kinderheim im Kanton Zürich platziert, gilt für das Kind weiterhin die von der Mutter abgeleitete dreijährige Wohnsitzdauer, der Heimatkanton ist nicht kostenersatzpflichtig. Wird der Churer Mutter die Obhut entzogen und wird das 1-jährige Kind in ein Kinderheim im Kanton Aargau platziert, fängt die zweijährige Kostenersatzpflicht des Heimatkantons mit der Platzierung von Neuem an zu laufen.
Rechtsprechung
Urteil des Bundesgerichts vom 5. August 2008, 8C_829/2007: Der in X./ZH heimatberechtig-te M., geboren 1991, lebte seit 1. Januar 2002 mit seinen Eltern in Y./TG, als er am 28. Ja-nuar 2007 auf Grund der schwierigen Situation zu Hause in einer sozialpädagogischen Wohngruppe in Z./SG platziert wurde. Im hier zu beurteilenden Fall ist die Wohnsitzdauer von M. resp. seiner Eltern im Kanton Thurgau nicht anrechenbar, da M. mit der Fremdplat-zierung im Kanton St. Gallen den Kanton des bisherigen Unterstützungswohnsitzes nach Art. 7 Abs. 1 und 2 ZUG verlassen hat (Art. 8 lit. c ZUG e contrario; vgl. auch Urteil 2A.134/2006 vom 29. Juni 2006, E. 4.3 und 4.4). Dieses Verständnis von Art. 8 lit. c ZUG steht auch in Einklang mit dem allgemeinen Beendigungsgrund von Art. 9 Abs. 1 ZUG, wo-nach eine Person, die aus dem Wohnsitzkanton wegzieht, ihren Unterstützungswohnsitz ver-liert. Somit hat der Kanton Zürich als Heimatkanton gemäss Art. 16 ZUG für die Kosten der Unterbringung von M. aufzukommen. Urteil des Bundesgerichts vom 29. Juni 2006, 2A.134/2006: Der am 8. August 1987 gebore-ne X. verfügt über das Bürgerrecht des Kantons Appenzell Innerrhoden. Er lebte bis zum Ap-ril 2002 in Gossau im Kanton St. Gallen bei seiner Mutter, die damals die elterliche Sorge in-nehatte. Im Frühjahr 2002 zog er zu seinem in Speicher im Kanton Appenzell Ausserrhoden ansässigen Vater. Mit Beschluss vom 4. Juli 2002 übertrug die Vormundschaftsbehörde Gossau die alleinige elterliche Sorge dem Vater. In der Folge traten zwischen Vater und Sohn Beziehungsprobleme auf. Am 20. Januar 2003 erteilte die Fürsorge- und Vormund-schaftskommission Speicher die Kostengutsprache für eine Fremdplatzierung von X. im Lehrlingsheim Varnbüel in St. Gallen unter gleichzeitiger Integration in die berufliche Ausbil-dung im Rahmen des so genannten Projekts "Die Chance". Am 30. Mai 2003 brach X. sei-nen Aufenthalt im Lehrlingsheim Varnbüel bereits wieder ab, woraufhin er zeitweilig als ver-schwunden galt. Am 12. Juni 2003 wurde sein Austritt aus dem Heim beschlossen. Seit dem 17. Juni 2003 wohnte er wieder bei seinem Vater. X. wurde mit dem Eintritt ins Lehrlingsheim Varnbüel auf Dauer fremdplatziert und erhielt damit einen eigenen Unterstützungswohnsitz im Sinne von Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG. Gemäss Art. 8 lit. c ZUG wird einem unmündigen Kind, das einen eigenen Unterstützungswohnsitz erhält, die bisherige Wohnsitzdauer angerechnet, wenn es den Wohnkanton nicht verlässt (vgl. dazu Thomet, a.a.O., Rz. 138 ff.). Nicht erfor-
derlich ist, dass bei einem Kantonswechsel ein eigener Unterstützungswohnsitz im neuen Kanton erworben wird. Bei ausserkantonalen Fremdplatzierungen nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG wäre dies ohnehin nicht möglich, da sich der eigene Unterstützungswohnsitz des Kin-des am letzten von den Eltern bzw. vom sorgeberechtigten Elternteil abgeleiteten Ort befin-det. Verweilt das Kind dabei weiterhin tatsächlich im Kantonsgebiet, ist ihm die vorherige Wohnsitzdauer anzurechnen. Verlässt es jedoch den bisherigen Kanton, ist eine solche An-rechnung auch dann ausgeschlossen, wenn der eigene Unterstützungswohnsitz - wie in der vorliegenden Konstellation - beim früheren Wohnkanton verbleibt. Da während der Dauer der Fremdplatzierung kein abgeleiteter Unterstützungswohnsitz bestand und X. den (früheren) Wohnkanton auf Dauer tatsächlich verlassen hatte, ist der Tatbestand von Art. 8 lit. c ZUG nicht erfüllt und ist ihm die vorherige Wohnsitzdauer im Kanton Appenzell Ausserrhoden nicht anzurechnen. Weil mit dem Eintritt ins Lehrlingsheim ein Kantonswechsel und die Be-gründung eines eigenen Unterstützungswohnsitzes verbunden waren, entstand die Ersatz-pflicht des Heimatkantons. Diese blieb bis zur Rückkehr des Kindes zum Vater und der damit verbundenen Wiederentstehung eines abgeleiteten Unterstützungswohnsitzes bestehen.
Praxishilfen
Kontakt
Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe