Wege aus der Häuslichen Gewalt: Weniger Rückfälle durch Lernprogramme

Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) verfügt mit dem Lernprogramm «Partnerschaft ohne Gewalt» (PoG) seit 2001 über ein Instrument, welches das Rückfallrisiko im Bereich der Häuslichen Gewalt senkt. Durchgeführt wird das Lernprogramm durch die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) von JuWe. Der Verantwortliche für die Lernprogramme, Joder Regli, hat heute zusammen mit Dr. Juliane Gerth, Senior Researcher bei Forschung & Entwicklung, und Daniel Treuthardt, Leiter BVD, die Medien über das Lernprogramm PoG, dessen Wirksamkeit zur Reduktion von Häuslicher Gewalt sowie dessen Nutzen für die Resozialisierung informiert. Regierungspräsidentin und Justizdirektorin Jacqueline Fehr betont die Wichtigkeit der Lernprogramme zur Prävention und Verhinderung von Rückfällen.

Medienkonferenz vom 29. Juni 2021

Das Lernprogramm PoG basiert auf kognitiv-verhaltenstherapeutischen Grundsätzen. Es richtet sich an Männer und Frauen, die innerhalb einer Partnerschaft Gewalt ausgeübt oder angedroht haben und bei denen ein Lernbedarf besteht. Das Lernprogramm PoG umfasst 16 Sitzungen (Gruppengespräche) und drei Nachgespräche (Einzelsitzungen) und soll mittels Wissensvermittlung, Diskussionen und praktischen Übungen einen wirksamen Beitrag zur Selbstreflektion und Rückfallprävention leisten.

Als direkte Folge des neuen Bundesgesetzes zum Schutz gewaltbetroffener Personen, das im Juli 2020 in Kraft getreten ist, haben die Zuweisungen in das Lernprogramm PoG durch die Staatsanwaltschaften markant zugenommen. Während im ersten Halbjahr 2020 31 Zuweisungen verzeichnet wurden, waren es im zweiten Semester des selben Jahres bereits 140. Um den markanten Anstieg zu verdeutlichen: Die Anzahl Zuweisungen im Jahr 2019 lag bei insgesamt 52.

Positiver Beitrag zur Rückfallprävention 

Wurden PoG-Teilnehmende seltener rückfällig als Personen, die dem Programm nicht zugewiesen wurden? Unterscheiden sich Rückfallraten von Personen, die das gesamte Programm absolvieren, von jenen, die es vorzeitig abbrechen? Unter der Leitung von Dr. Juliane Gerth wurde die Wirksamkeit des Lernprogramms PoG mittels Analyse der Rückfalldaten aus dem Polizeilichen Informationssystem (POLIS) evaluiert.

Personen, die mindestens an zehn Sitzungen des Lernprogramms PoG teilgenommen haben, werden mit Personen verglichen, die nicht am Lernprogramm teilgenommen haben. Wie die Evaluation zeigt, werden PoG-Teilnehmende innerhalb eines fixen Beobachtungszeitraumes von zwei Jahren signifikant weniger rückfällig. Konkret konnte gezeigt werden, dass sich die Rückfallzahlen im Bereich der Partnergewalt (verbale und physische Gewalt) um mehr als 50 Prozent reduzierten. Bezüglich physischer Gewalt im partnerschaftlichen Kontext zeigt sich sogar, dass PoG-Teilnehmende innerhalb von zwei Jahren nach Beginn ihrer Teilnahme beim PoG von der Polizei nicht mehr registriert wurden.

Des Weiteren geht aus der Evaluation hervor, dass es sich lohnt, dabei zu bleiben. Personen, die an mindestens zehn Sitzungen des Lernprogramms PoG teilnahmen, wurden zu einem Drittel weniger häufig polizeilich registriert als Personen, die ihre Teilnahme vorher abbrachen.

Lernprogramme durchführen, Kosten sparen

Das Lernprogramm leistet nicht nur einen zentralen Beitrag zur Senkung von Rückfällen im Bereich der Häuslichen Gewalt, es ist auch sehr kosteneffizient. Vor dem Hintergrund der berichteten Rückfallraten steht die Teilnahme am Lernprogramm in einem geschätzten Kosten-Nutzen-Verhältnis von ca. 1 Franken zu 5 Franken. Für jeden investierten Schweizer Franken können folglich 4 Franken eingespart werden. D.h. bei 100 Teilnehmenden belaufen sich die Einsparungen durch verhinderte Rückfälle auf rund 1,4 Millionen Franken.

Wichtige Ressourcen werden erhalten 

Daniel Treuthardt, Leiter BVD, fasste den Nutzen des Lernprogramms für die Resozialisierung zusammen. Ein weiterer grosser Vorteil des Lernprogramms sei, dass es sich um ein ambulantes Programm handelt. «Die beschuldigten Personen werden nicht aus ihrem familiären Umfeld und ihrer Arbeitstätigkeit gerissen. So können wichtige Ressourcen erhalten, und es kann auf sie aufgebaut werden. Dadurch werden die Chancen für eine deliktfreie Zukunft der beschuldigten Personen verbessert», so Daniel Treuthardt.

Fokus auf Opferschutz

Am Ende der Veranstaltung stellte Justizdirektorin Jacqueline Fehr den Opferschutz in den Fokus. Das Engagement gegen Häusliche Gewalt müsse auch die Opfer von Gewalt, insbesondere Frauen und Kinder, ins Visier nehmen. Dabei gehe es im Kern um die Frage, wie Opfer von Häuslicher Gewalt unterstützt werden können. Diese Unterstützung sei insbesondere bei der psychologischen und strafrechtlichen Bewältigung im Nachgang einer Tat nötig. Polizei, Staatsanwaltschaft, Opferhilfe und weitere Institutionen würden hier eine wichtige Arbeit leisten. Der wirksamste Opferschutz bestehe jedoch im Bemühen, dass es gar nicht erst zu Gewalttaten kommt. In diesem Zusammenhang betonte Jacqueline Fehr nochmals die Wichtigkeit der Lernprogramme, da sie einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten, indem sie Rückfälle verhindern würden.

Um weiterhin wirksam gegen die Häusliche Gewalt vorgehen zu können, brauche es in einem nächsten Schritt bessere Daten als jene, die heute zur Verfügung stünden. Die
Istanbul-Konvention verpflichte die Staaten dazu. Um die statistische Basis im Bereich der Häuslichen Gewalt zu verbessern, unternimmt der Kanton einen Effort bei der Datenerhebung.

Jahresbericht

Die erfolgreiche Wiedereingliederung von Straftäterinnen und Straftätern spielt im ZürcherJustizvollzug eine zentrale Rolle. Im Jahresbericht 2020 finden Sie Beispiele dafür, wie JuWe die Wiedereingliederungschancen von straffälligen Männern und Frauen verbessert und sie auf ein deliktfreies Leben in Freiheit vorbereitet.

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